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Sport: Die Deutschen Südamerikas

Mehr als ein Jahrzehnt lang galt es nicht als schick, sich den deutschen Fußball als Vorbild zu nehmen – Avantgarde war anderswo. Das war vor der WM und vor Jürgen Klinsmann.

Mehr als ein Jahrzehnt lang galt es nicht als schick, sich den deutschen Fußball als Vorbild zu nehmen – Avantgarde war anderswo. Das war vor der WM und vor Jürgen Klinsmann. Jetzt hat sich der Fußballverband des Rekordweltmeisters bei der Besetzung seiner wichtigsten Planstelle ganz offensichtlich an, jawohl, an Deutschland orientiert. Nach dem Rücktritt Carlos Alberto Parreiras wurde keiner aus der Riege der weisen Patrone neuer brasilianischer Nationaltrainer, sondern Carlos Dunga. Der frühere Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart gibt die südamerikanische Variante des früheren Bundestrainers Klinsmann: Er hat – wie einst Klinsmann – keine Erfahrung als Trainer, dafür bringt er wie der Schwabe eine große Einsatzbereitschaft und große Ziele mit.

Die braucht er auch, denn die Confederação Brasileira de Futebol präsentiert sich ebenso renovierungsbedürftig wie der DFB vor Klinsmanns Landung aus Kalifornien. Nicht wenige machen die kompromisslose Art des Verbandes, mit seinen Stars wie Ronaldinho und Kaka Geld zu verdienen, dafür verantwortlich, dass die Mannschaft bei der WM im Viertelfinale ausgeschieden ist. Dieses Denken muss wieder dem Sport untergeordnet werden, gleichzeitig müssen die vielen Individualisten als Team zusammenfinden. Der hemdsärmelige und für einen Brasilianer schon als Spieler bemerkenswert pragmatisch vorgehende Dunga könnte der Richtige für diese Aufgabe sein.

Trotzdem gibt es Zweifel an der Qualifikation des 42-Jährigen in der Heimat des fünfmaligen Weltmeisters. Brasilien muss eben noch lernen. Deutschland ist da schon einen Schritt weiter.

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Christian Hönicke

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