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St Pauli-Fans halten ein Banner hoch: "Say it loud say it clear Refugees are welcome here." Der Hamburger Klub verzichtet neben dem FC Union Berlin auf die „Wir helfen“-Aktion für Flüchtlinge der Vereine der 1. und 2. Fußball-Liga.

© imago/Baering

Die DFL, die "Bild" und die Flüchtlinge: Powered by Promotion

Am kommenden Spieltag werden bis auf St. Pauli und den 1. FC Union Berlin die Bundesligateams mit einem "Refugees-Welcome"-Logo auflaufen. Präsentiert wird die Aktion von der "Bild". Ist das ein gutes Zeichen?

Bei den großen Fußballverbänden dauert es manchmal etwas länger, bis Dinge ins Laufen kommen. Gerade wenn es um die Gemengelage von Politik und Fußball geht. Vielleicht weil die Funktionäre Sorge haben, Fehler zu machen. Vielleicht weil die Prozesse unzählige Genehmigungs- und Entscheidungsinstanzen durchlaufen müssen.

Die Schaltzentralen des Fußballs wirken, zumindest für Außenstehende, oftmals wie kafkaeske Riesenapparate, bei denen am Ende eines Besuchs mehr Fragen als Antworten bleiben. So wie diese Woche, als die DFL in einer Pressemitteilung verkündete: "Profifußball unterstützt Flüchtlinge." Eine an sich großartige Aktion, wenn da nicht dieser fade Beigeschmack wäre.

Aber der Reihe nach.

Seit mehreren Monaten tragen Fans wieder vermehrt politische Botschaften in die Stadien, sie präsentieren "Refugees Welcome"-Banner oder "Kein Mensch ist illegal"-Doppelhalter. Sie setzen sich in ihren Kurven mit dem Flüchtlingsthema auseinander, spontan und direkt, ohne große Firmen und Sponsoren im Rücken. Fußball ist eben nicht nur Fußball, sondern auch Politik.

"Mein Freund ist Ausländer"

Viele Bundesligaklubs haben in den vergangenen Wochen ebenfalls auf das Thema reagiert. Sie sammelten Geldspenden, organisierten Benefizspiele oder riefen öffentlichkeitswirksam zur Solidarität mit Flüchtlingen auf. Manchmal hechelten sie dem Thema wie einem PR-Trend hinterher, oft aber waren die Aktionen durchaus löblich. Aussagekräftiger jedenfalls als vor 20 Jahren noch. Und ja, auch die DFL und der DFB waren nicht tatenlos. Die Verbände trugen in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Anti-Diskriminierungskampagnen auch ihren Teil dazu bei, dass das stumpfe und fremdenfeindliche Klima der achtziger und neunziger Jahre in den meisten Bundesligastadien einer bunten Kurve gewichen ist. In diesem Jahr etwa im März, als der 26. Spieltag unter dem Integrationsmotto "Mach einen Strich durch Vorurteile" stattfand. Oder Anfang August, als die DFL die ersten Willkommensbündnisse für Flüchtlinge ins Leben rief.

Das tat sie ohne großes Bohei, und man konnte diese Unaufgeregtheit gut finden. Andererseits fragte man sich gerade zuletzt, ob es nicht sinnvoller sei, offensiver auf die aktuellen Geschehnisse zu reagieren. Was es zum Beispiel für ein kraftvolles Zeichen wäre, wenn die Liga ihre Klubs anhalten würde, einen Spieltag auf Trikotwerbung zu verzichten und stattdessen ein explizites Zeichen gegen Fremdenhass zu setzen. So wie im Sommer 1993, als die Bundesligateams den Schriftzug des Sponsors durch den Slogan "Mein Freund ist Ausländer" ersetzten und so Stellung zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen bezogen.

"Hermes" verzichtet auf eigenes Logo

Am Montag hat die DFL also reagiert. So wirkt es jedenfalls für Außenstehende, denn die Liga informierte in jener Pressemitteilung "Profifußball unterstützt Flüchtlinge", dass die Bundesligateams am kommenden Wochenende das Logo der "Bild"-Aktion "Wir helfen – #refugeeswelcome" auf dem Trikotärmel tragen werden. Somit werde "für eine aktive Willkommenskultur in Deutschland geworben".

Aber die Sache ist natürlich wieder ein wenig komplizierter. Auf Nachfrage verweist die DFL nämlich auf ihren Premiumsponsor »Hermes«, dessen Logo normalerweise diesen Platz am Ärmel einnimmt. Am kommenden Spieltag werde also "Hermes" für jenes "Wir helfen"-Logo der "Bild"-Zeitung auf "die Abbildung des eigenen Logos auf dem Trikotärmel" verzichten. So wie in der vergangenen Saison, als das Logistikunternehmen an einem Spieltag das eigene Logo durch das der Deutschen Krebshilfe ersetzte.

Trotzdem bleiben mehrere Unklarheiten. Denn zum einen wirbt die DFL mit der Aktion, andererseits erklärt sie aber, dass die Hoheit über die Inhalte, die über den Werbeplatz auf dem Ärmel präsentiert werden, alleine bei dem Sponsor liegt. So oder so stellt sich die Frage, ob die Entscheider nicht ein wenig mehr Fingerspitzengefühl bei der Wahl des Partners hätte beweisen müssen.

Ob also eine Zeitung, die in den vergangenen Jahren nicht gerade für eine herzliche deutsche Willkommenskultur stand, der richtige Partner für so eine Aktion ist. Eine Zeitung, die noch vor wenigen Monaten mit Schlagzeilen wie dieser Stimmung machte: "Sanitäter tragen Schutzwesten aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel" (8. September 2014). Oder dieser: "Rentner raus, Flüchtlinge rein" (11. März 2014). Und die regelmäßig voller Sorge fragt, wie viel Euro im Monat ein Asylbewerber von der Bundesrepublik bekommt, während die deutschen Hartz-IV-Empfänger kaum noch Brotkrumen zum Leben haben. Nun hat sich die "Bild" also die Hilfe für Flüchtlinge auf die Fahne geschrieben. Als wolle man mal eben schnell ein Feuer löschen, das man zumindest teilweise selbst gelegt hat.

Alles ist geplant, powered by

Zuletzt zeigt die ganze Aktion, wie weit sich Protagonisten des Fußballs, die Sponsoren und auch die Liga, von so etwas wie Emotion, Spontaneität oder Authentizität entfernt haben. Nichts, so scheint es, passiert mehr aus einem Gefühl heraus, aus einer Empfindung, dass etwas gut ist und man sich deswegen einfach mal ungefiltert und ungebranded dafür engagiert. Alles ist geplant, alles ist kalkuliert, powered by. Selbst ein Thema wie "refugees welcome".

Und selbst wenn "Hermes" unabhängig von der DFL die "Bild"-Kooperation eingegangen ist, strahlt sie nach außen wie eine gemeinsame Aktion. Kai Diekmann bedankte sich jedenfalls am Dienstagmorgen. Nicht bei "Hermes", sondern bei der Liga: "Was für eine großartige Geste! Danke, liebe @bundesliga_de", twitterte der "Bild"-Chefredakteur. Wobei man nicht so recht wusste, ob er sich bedankte, weil sich die Bundesliga für Flüchtlinge einsetzt – oder weil er es so toll findet, dass am Wochenende mehr als 400 Erst- und Zweitligaspieler Werbung für seine Zeitung machen.

Dieser Beitrag erschien ebenfalls bei "11FREUNDE".

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