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Sport: Die Ewigkeit von 2,8 Sekunden Ruderin Kathrin Boron hat nur Gold im Kopf

Berlin - Kathrin Boron schleppt eine Schutzhülle vom Bootshaus zu ihrem Doppelzweier. Sie trottet mit der roten Plastikplane unterm Arm die paar Meter zu ihrem aufgebockten Boot, als würde sie gerade eine Einkaufstüte tragen.

Berlin - Kathrin Boron schleppt eine Schutzhülle vom Bootshaus zu ihrem Doppelzweier. Sie trottet mit der roten Plastikplane unterm Arm die paar Meter zu ihrem aufgebockten Boot, als würde sie gerade eine Einkaufstüte tragen. Es ist ja auch nicht wirklich viel passiert. Sie ist gerade mit Meike Evers bloß Deutsche Ruder-Meisterin im Doppelzweier geworden. Irgendeiner am Steg fragt sie, wie viele nationale Titel sie denn damit gewonnen habe. Da lächelt Kathrin Boron und schüttelt den Kopf: „Das kann ich wirklich nicht sagen.“

Kathrin Boron ist achtmalige Weltmeisterin und dreimalige Olympiasiegerin, sie ist die erfolgreichste Skullerin der Welt, sie hat gerade mit Evers klar gewonnen, obwohl die beiden technisch lausig gerudert sind. Nein, das Problem der Kathrin Boron aus Potsdam sind nicht wirklich die nationalen Konkurrentinnen.

Das Problem sind 2,8 Sekunden.

2,8 Sekunden lag Boron im Doppel-Zweier vor zwei Wochen beim Weltcup in Luzern hinter den Neuseeländerinnen Georgina und Caroline Evers-Swindell. Damals saß Kerstin El-Qalqili in ihrem Boot. Das ging schief, deshalb stieg Evers zu Boron ins Boot. Aber in sechs Wochen schon beginnen in Athen die Olympischen Spiele. „2,8 Sekunden Rückstand sind in sechs Wochen nicht aufzuholen“, sagt Boron. Ob Evers stärker ist als El-Qalqili, ist schwer zu sagen. Evers hat drei Jahre pausiert. Deshalb weiß Boron nicht, ob sie in Athen wirklich im Doppelzweier fahren soll, ihrem Paradeboot. Oder ob sie in den Doppel-Vierer umsteigen soll. Sie hört auf, ihr Boot zu putzen, blickt hoch, und dann sagt sie fast flehentlich: „Ich will doch Gold.“

Der Satz klingt wie ein kleiner Hilfeschrei. Kathrin Boron ist nicht gewohnt, dass sie wegen Gold taktieren muss. Sie ist gewohnt, dass sie im Doppel-Zweier die Konkurrenz in Grund und Boden fährt. Sie ist ein Denkmal im Rudern. Wo sie startete, gewann sie. Doch jetzt muss die 34-Jährige völlig neue Erfahrungen verarbeiten: Sie verliert. „Dass ich nicht mehr dominiere, habe ich bis heute nicht ganz verkraftet“, sagt sie.

Sie dominiert seit zwei Jahren nicht mehr. Im August 2002 kam ihre Tochter Cora auf die Welt, ein Wunschkind. Vier Monate nach der Geburt trainierte Kathrin Boron wieder, aber sie unterlag im Halbfinale bei der WM 2003 in Mailand den Neuseeländerinnen, sie unterlag mit Britta Oppelt im Doppelzweier auch im Finale. Andererseits, es war kurz nach der Geburt, es war nur ein WM-Jahr. Damals sagte sie: „Ich habe mich geärgert.“ Aber nun, 2004, tun ihr Niederlagen richtig weh. Zu allem Überfluss wurde sie zu Saisonbeginn auch noch krank. Sie konnte nicht starten, sie konnte sich nicht unter Wettkampf-Bedingungen testen. „Und es ist ein Olympiajahr“, sagt Kathrin Boron. „Wenn man drei Goldmedaillen hat, will man auch eine vierte.“ Sie hat ja auch wieder Kraftwerte wie zu ihren besten Zeiten. „Aber die Neuseeländerinnen sind stärker geworden.“

Wenigstens ist Cora gut versorgt, die zweijährige Tochter. Cora geht mit ins Trainingslager, ein Kindermädchen kümmert sich um die Kleine, wenn die Mama dreimal am Tag trainiert. Die Unruhe vor den Spielen in Athen bleibt trotzdem. Jutta Lau, die Ruder-Bundestrainerin, sagt: „Kathrin fragt mich immer wieder: ,Glaubst du, es klappt mit Gold?’ Sie erwartet, dass ich ein Patentrezept habe.“ Und? Hat die Trainerin eins? Jutta Lau bekommt einen Moment lang einen harten Blick. Dann sagt sie: „Nein.“

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