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Sport: Die Favoriten gewinnen zu hoch

Warum bei der Handball-WM schon nach zwei Tagen über die Regeln diskutiert wird

Viseu. Gudmundur Gudmundsson guckte missmutig in die Journalistenrunde. Mit 55:15 hatte die von ihm trainierte isländische Nationalmannschaft ihr WM-Auftaktmatch gegen Australien gewonnen, es war der höchste Sieg in der Geschichte einer Handball-WM. Dennoch geriet der ruhige Gudmundsson in Rage.

Nicht wegen des Lichtausfalls in der Halle Multiusos Viseu, der für eine 20-minütige Unterbrechung gesorgt hatte. Was ihn störte, waren die Höhe und die Leichtigkeit des Sieges gegen eine Mannschaft, die seiner Meinung nach nicht reif ist für den Auftritt in Portugal. „Dieses Spiel war nicht gut für uns, nicht gut für den Gegner und nicht gut für eine WM“, meinte Gudmundsson.

Speziell die Tatsache, dass in der isländischen Gruppe mit Deutschland und Portugal nur drei wirklich ernst zu nehmende Mannschaften auflaufen und der vierte Platz, der das Erreichen der Hauptrunde sichert, unter den drei Handballentwicklungsländern Grönland, Katar und Australien ausgemacht wird, sorgt bei Gudmundsson und vielen Experten für Kopfschütteln.

„Wir können zwar froh sein über unsere leichte Gruppe“, sagt etwa Nationalspieler Frank von Behren, der wegen seiner Knieverletzung nur als Komoderator der ARD mitwirken kann, „aber im Prinzip ist das kein Handball.“ Horst Bredemeier, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), hingegen weist darauf hin, „dass eine WM einfach breiter angelegt sein muss“. Und dennoch findet er die Differenz zwischen dem hohen Leistungsstand in Deutschland und den australischen Amateuren zu groß.

Kein Wunder, dass prompt die Internationale Handball-Föderation (IHF) über eine Veränderung des Modus nachdenken und das Teilnehmerfeld verkleinern will. Der Isländer Kjarta Steinbach betreut als Offizieller der IHF die deutsche Gruppe in Viseu und sitzt zudem im Rat der IHF, der über den Modus zu befinden hat. Entsetzt sei er über den Kantersieg der Isländer gewesen. „Es hat keinen Zweck, dass die Australier hier sind“, sagt er. Steinbach ist klar, dass solche Diskussionen „sportpolitisch heikel“ sind, weil die Verbände mit schwächeren Teams auf Kontinentalkontingenten beharren. Momentan verfügen Pan-Amerika, Afrika und Asien über je drei Plätze bei einer WM, dazu kommt mit Australien ein „Oceania Champion“ mit maximal Oberligaformat. „Ich will dafür sorgen, dass diese Kontinente nur noch zwei Plätze bekommen“, sagte Steinbach dem Tagesspiegel.

Doch es existieren durchaus auch andere Positionen. Der grönländische Spieler Hans-Peter Motzfeldt zeigt kaum Verständnis für die Diskussion. „Wir haben uns qualifiziert und fertig“, sagt er und verweist darauf, „dass Handball für uns Grönländer die beste Möglichkeit ist, uns in der Welt vorzustellen.“ Übrigens, Deutschland gewann am Dienstag nur noch mit 46:16 gegen Australien. Klaus-Dieter Petersen, der sein 300. Länderspiel absolvierte, machte sich hinterher stark für die Kleinen: „Diese Nationen sollen auch mitspielen dürfen.“

Am Dienstagabend sollte er Recht bekommen. Die Außenseiter Argentinien und Slowenien überraschten plötzlich die Favoriten. Die Argentinier trotzten Olympiasieger Russland ein 26:26 ab, die Slowenen besiegten gar Europameister Schweden 29:25. Fast schien es, als hätte sich die ganze Diskussion schon ohne Regeländerungen gelohnt.

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