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Sport: Die Frage nach dem Pflaster

Wie sauber sind die US-Schwimmer?

Normalerweise hätte niemand Marion Jones diesen Platz streitig gemacht. Fünf Medaillen brachte die Sprinterin von den Olympischen Spielen aus Sydney mit, nicht weniger sollte sie eigentlich in Athen holen. Doch nun alles anders, nun ziert der Schwimmer Michael Phelps das Titelblatt der Olympia-Ausgabe von „Sports Illustrated“, der auflagenstärksten Sport-Zeitschrift der Welt.

Der durch den Skandal um die Chemie-Fabrik Balco ausgelöste Imageverlust der US-amerikanischen Leichtathletik nimmt immer deutlichere Züge an. Meeting-Direktoren in der Schweiz und in Österreich überlegen es sich zweimal, ob sie dopingverdächtige Sportler wie Marion Jones noch laufen lassen sollen. Die Agenten der besten US-Schwimmer dagegen freuen sich über Anfragen von Sponsoren, die ihr Geld umschichten wollen.

So hat auch die prominente Platzierung von Phelps ökonomische Hintergründe. „Sports Illustrated“ gehört zur Time-Warner-Gruppe, das Magazin selbst tritt seit Jahrzehnten als offizieller Unterstützer der Olympischen Spiele auf, und der Konzern gehört seit 1987 zu den Top-Sponsoren des Internationalen Olympischen Komitees. Ohne Stars aber lassen sich Produkte nur schwer verkaufen. Deshalb wird Phelps jetzt als der Vorzeige-Athlet für die Olympischen Spiele aufgebaut. Das Sportmagazin und der TV-Sender NBC arbeiten daran Hand in Hand. Der Sender ließ sich die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 793 Millionen Dollar kosten. Ein guter Grund, um nach einem möglichst risikoarmen Helden zu suchen.

Mit jeder neuen Enthüllung in der Leichtathletik dagegen gerät auch der Verband US Track & Field stärker unter Druck. Vor wenigen Tagen dachte der Geschäftsführer des Olympischen Komitees der USA sogar darüber nach, den Verband rauszuwerfen. „Die Leute bei US Track & Field haben die Situation nicht ernst genug genommen“ sagte Jim Scherr der „New York Times“. Greg Masback, USTF-Geschäftsführer, weist die Vorwürfe zurück: „Das ist ein Problem des gesamten Sports in den USA.“ Von den 22 Sportlern aber, welche die US-Anti-Doping-Agentur 2004 bereits erwischte, sind die Hälfte Leichtathleten. Besonders geschäftsschädigend ist die Ungewissheit, ob alle US-Athleten, die in Athen starten werden, wirklich ungedopt sind. Das spektakulärste Beispiel bietet ausgerechnet Jones, die sich vehement gegen alle Vorwürfe wehrt. Der Anti-Doping-Agentur fehlt jedoch nur noch der letzte Mosaikstein, um Jones zu überführen.

Dass allerdings die Schwimmer so viel sauberer sind als diverse Leichtathleten, widerspricht aller Wahrscheinlichkeit. Bei der Olympia-Qualifikation der US-Schwimmer wurden reihenweise Weltrekorde verbessert, die schon zuvor als verdächtig galten. Zudem analysiert die US-Anti-Doping-Agentur USADA gerade ein so genanntes Energie-Pflaster, dass bei mehreren Schwimmern entdeckt wurde. Auch bei zwei Athleten, die sich für Athen qualifizierten. Die Pflaster enthielten nichts Verbotenes, beteuerten die Sportler, sie wirkten durch die Kraft von Magneten. Das hört sich überaus nebulös an: Aber Genaueres wüssten sie nicht, erklärten die Schwimmer. Mit ähnlich lautenden Erklärungen hat schon mancher Dopingfall begonnen.

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