zum Hauptinhalt
Von Hoeneß zu Hoeneß. Die Klubs versuchen mittlerweile unliebsame Nachrichten über die vereinseigenen Medien zu kontrollieren.

© dpa (2), Fotolia. Montage: Krause

Die Fußball-Bundesliga im Fernsehen: Gesteuerte Bilderflut

Web-TV, Pay-TV, Free-TV – auf allen Geräten zu jederzeit empfangbar: Die Bundesliga steuert die Bilderflut und kreiert so ihr eigenes Image in der Öffentlichkeit.

20. April. 2013. 30. Spieltag der Fußball-Bundesliga. Hannover 96 empfängt Bayern München zu einem im Grunde bedeutungslosen Spiel. Die Bayern sind fast sicher Deutscher Meister und gewinnen locker 6:1. Schön und gut für den Bayern-Fan – doch viel interessanter ist an diesem 30. Spieltag die Frage, was eigentlich an den Vorwürfen gegen Uli Hoeneß dran ist. Steuerbetrug in Millionenhöhe? Der Bayern-Präsident hat jedenfalls Anzeige gegen sich selbst erstattet, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der bayerische Ministerpräsident Seehofer höchstselbst bestätigt diese Untersuchungen.

Diese Informationen sind an jenem Tag seit Stunden auf dem Markt. Zeitungen und Onlineportale berichten ausführlich und mit vielen Hintergründen. Nur ein Fernsehsender hält sich in dieser Angelegenheit zurück: Sky. Der Bezahlsender, der für die Exklusivrechte der Live-Übertragungen aller Bundesligaspiele jährlich weit über 100 Millionen Euro an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zahlt, geht an diesem Samstagnachmittag in seiner Berichterstattung aus  Hannover kaum nachhaltig auf die Hoeneß-Sensation ein.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Sky präsentiert das Produkt Bundesligafußball klasse. Edel. Professionell. Rundumversorgung. Tore, Stimmen, Stimmungen. Experten und Analysen in 3-D. Ebenso wie die „Sportschau“ in der ARD. Aber auch die lässt sich am frühen Abend dieses 20. April eher auf die Abbildung aller spielerischen Elemente zwischen Hannover 96 und Bayern München ein als auf die Aufarbeitung der Causa Hoeneß. Alle Spiele, alle Tore. Am heiligen Bundesliga-Samstagnachmittag möchte man nicht gestört werden.

Oder doch? Michael Steinbrecher, langjähriger Moderator im ZDF-„Sportstudio“, hat in einem Interview mit der FAZ kurz vor seinem Abschied beim traditionsreichen ZDF-Format angedeutet, wohin die Reise in Sachen Sport als Unterhaltungsware geht. Der Moderator und Dortmunder Journalistikprofessor soll Stellung dazu nehmen, dass der Sport, für den auch die ARD und ZDF viel Geld bezahlen, immer stärker als Unterhaltung präsentiert werde, das stehe im Gegensatz zu den Kriterien, die er sich wünschen würde. Steinbrecher entgegnet: „Das ,Sportstudio‘ als Liveformat muss immer die Balance halten zwischen Unterhaltung und journalistischem Anspruch. Diesem Anspruch muss auch der Moderator gerecht werden.“ Aber einen Sendeplatz für hintergründige Sportberichterstattung gebe es eben nicht. „Jeder in der Redaktion würde sich eine Nachfolge für den legendären ,Sportspiegel‘ wünschen, auch wenn eine solche Sendung nicht an die Reichweite eines Livespiels heranreichen würde.“

Nun können sich Sendungen wie „Sportschau“ und „Sportstudio“ oder ein Pay-TV-Kanal wie Sky Bundesliga an so einem Spieltag – mit mindestens sechs Begegnungen – nicht in allererster Linie um Hintergrundberichterstattung kümmern. Da hilft der Verweis auf die Quote. Geschenkt. Die Frage muss aber erlaubt sein, welche Freiheiten die Macher, Redakteure, Journalisten dieser Formate abseits der Live-Übertragung oder der achtminütigen Zusammenfassungen überhaupt noch haben.

„Durch das Abendspiel der Bundesliga haben wir im ,Sportstudio‘ ein exklusives Angebot“, sagt Steinbrecher. Das werde sehr geschätzt, der Marktanteil sei signifikant gestiegen. „Aber: Durch die vertraglichen Rahmenbedingungen ist eine Mindestdauer für das Abendspiel festgelegt, zudem eine Mindestdauer für die anderen Spiele, auch die Zweite Liga. Das bedeutet, dass die Flexibilität für einen zweiten Gast, für eine andere Sportart, für eine große Diskussionsrunde enger geworden ist.“

Für rund fünf Millionen Euro präsentiert nun auch die "Bild" Bundesligaspiele

Ähnliche Implikationen gibt es für ARD, Sport1 oder Sky, ohne dass dies offiziell kommentiert würde. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Vielleicht ist für solche Diskussionsrunden – Hintergründe zu Hoeneß, Doping etc. – die Zeitung der passende Ort. Sogar der Boulevard. Man mag von der „Bild“-Zeitung und ihren Einflüsterern (Beckenbauer /Matthäus) halten, was man will. In 50 Jahren Bundesliga drang via „Bild“ mehr aus den Kabinen der Bundesligisten hinaus, als Veranstaltern und Vereinen lieb sein konnte. Nun, mit dem Start dieser Saison, ist der Axel-Springer-Verlag auch Partner der Veranstalter, der DFL. Für geschätzt fünf Millionen Euro jährlich hat Springer ein nicht ganz unwichtiges Medienrechtepaket gekauft und präsentiert alle Bundesligaspiele eine Stunde nach Spielschluss als Video-on-Demand, zum Abruf jederzeit via PC, Tablet oder Smartphone. „Bildplus“ heißt das Angebot. Man darf gespannt sein, inwiefern sich diese neue Rechtepartnerschaft zwischen Springer-Verlag und DFL auf die großen, bunten Bundesliga-Seiten der „Bild“ auswirken wird, auf die Lust, in den Kabinen zu lauschen und mit Verbissenheit darüber zu schreiben.

Ein Millionenspiel. Rund um das Produkt Fußball-Bundesliga hat sich auf diversen Vertriebskanälen eine Bilderflut entwickelt, die in keinem Verhältnis zum journalistischen Gehalt steht. Es hat sich eine Mentalität entwickelt, das teuer eingekaufte Produkt Bundesliga eher stolz zu präsentieren, als es durch allzu journalistisches Hinterfragen zum normalen Gegenstand der Berichterstattung zu machen. Zu viel Show, zu wenig Sportkompetenz. Wie es anders geht, zeigen die Übertragungen von anderen Großereignissen wie etwa derzeit der Leichtathletik-WM aus Moskau, wo gerade das ZDF mit einer differenzierten Kommentierung die richtige Tonlage zwischen sportlicher Faszination und kritischer Distanz aufgrund der Dopingwirklichkeit findet. Moderator Norbert König konfrontierte Weltrekordler Usain Bolt mit dem durch Doping ausgedünnten Sprinterfeld.

Wie sagte Steinbrecher, angesprochen auf das legendäre Streitgespräch im „Sportstudio“ zwischen Christoph Daum auf der einen Seite und Uli Hoeneß und Jupp Heynckes auf der anderen: Vereine lassen sich auf solche Konfrontationen heute gar nicht mehr ein. Die Vereine sind Träger eines Systems, das PR-Journalismus erwartet.

Eines Systems, das sich offenbar immer mehr verselbstständigt. Kuschlig und glänzend soll es sein, nicht nur bei Sky, ZDF, ARD, Sport1. Dazu passt, dass Vereine dazu übergehen, ihre Sicht der Dinge auf dem vereinseigenen Web-TV-Kanal zu verbreiten. Interviews zu Spielertransfers, Pressekonferenzen – alles auf diesen Plattformen. Wer als Journalist unschön berichtet, bekommt kein Gespräch mit Spieler X. Die Vereine werden einfach selbst zum Medium. Da droht die Gefahr, dass sie Interviews mit Spieler X in Konfliktsituationen drehen und dann allen Sendern zur Verfügung stellen. Nachfragen? Nicht mehr möglich. Es sei doch ein Interview auf dem Markt, es sei doch alles gesagt, heißt es dann. Das wäre das Ende.

Markus Hörwick, Mediendirektor des FC Bayern, hat gerade im Magazin des Verbands Deutscher Sportjournalisten erklärt: „Es wird für die Medien zweifelsohne immer schwieriger. Vereine und Verbände verbreiten ihre Inhalte auf ihren eigenen Kanälen. Dies nimmt natürlich wieder ein Stück des Kuchens für die Medien weg.“ Und auf die Frage, ob die Vereine versuchten, Themen und Meinung zu steuern: „Versuchen, ja. Ich glaube auch, dass es in dem einen oder anderen Fall machbar ist. Aber die großen Themen und Trends werden nach wie vor von den Leitmedien im Printbereich vorgegeben.“ Hörwick, früher selbst Journalist, kann seine früheren Kollegen verstehen, wenn sie sich darüber beklagen, dass Inhalte zuerst auf FCB.tv gesendet werden. Doch es gebe auch das Argument des Vereins: „Wir bezahlen doch Arjen Robben, das ist unser Content. Oder wenn Thiago kommt: Warum sollen wir das erste Foto nicht bei uns platzieren?“

Daran ändert auch ein hauseigener Sky-Sport-News-TV-Kanal nichts. Aber vielleicht sind dem Fan solche Sport-News oder Steuerfragen egal, solange die Tore nur schnell genug auf sein Smartphone kommen.

Bayern München sendet sein FCB.tv sogar schon mit Lizenz der bayerischen Landesmedienanstalt. Nicht wundern, auch auf dem Kanal ist der Sachstand zum Fall Hoeneß eher nachrangig zu betrachten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false