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Freundliche Begrüßung. Das Red-Bull-Team bejubelt Sebastian Vettel, der in Suzuka die letzten 15 Punkte für den WM-Titel holte. Foto: dapd

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Sport: Die Gefühle kommen später

Nach dem dritten Platz in Japan schlägt die Freude über die Titelverteidigung bei Vettel nur langsam durch

Sebastian Vettel war gerade über die Ziellinie der Strecke von Suzuka gefahren, und was ihm danach im Kopf herumging, verriet ein kleines Wörtchen. Er sagte es seiner Pressesprecherin Britta Roeske nach der Siegerehrung, und dieses kleine Wörtchen fängt mit „Sch“ an und hört mit „e“ auf. Der Formel-1-Weltmeister Vettel hatte gerade als jüngster Pilot der Geschichte seinen Titel verteidigt, doch der Red-Bull-Fahrer war beim Großen Preis von Japan hinter Jenson Button im McLaren und Fernando Alonso im Ferrari eben nur Dritter geworden, und das wurmte ihn doch ein wenig.

Es dauerte im ganzen Red-Bull-Team ein bisschen, bis die große Freude so richtig durchbrach. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr in Abu Dhabi, als er den Titel sensationell im letzten Saisonrennen holte, war es diesmal nur noch die Frage, wann Vettel auch rechnerisch als Weltmeister feststehen würde. Am Sonntag war es so weit, vier Rennen vor Ende der Saison.

Zwar verteilte Vettel nach 53 umkämpften Runden in Japan Dankesbekundungen an das Team und besonders an seinen Privattrainer Tommi Pärmakoski, während Button neben ihm bittersüß lächelte. „Verdammte Deutsche“, entfuhr es dem Tagessieger scherzhaft, als Vettel an frühere Erfolge Michael Schumachers in Suzuka erinnerte. Doch dass erst einmal die Enttäuschung über den verpassten Sieg überwog, das verriet nicht nur Vettels Gesichtsausdruck während der Pressekonferenz. Eher nachdenklich, fast ein bisschen traurig, wirkte der 24-Jährige da, trotz der „fantastischen Saison, der tollen Leistung des ganzen Teams“, all dieser Worte, die eben gesagt werden, wenn man gerade seinen zweiten Weltmeistertitel gewonnen hat und nach einem fantastischen Jahr mit neun Siegen, 14 Podestplätzen in bislang 15 Rennen jüngster Doppelweltmeister aller Zeiten geworden ist.

In Suzuka wurde es nichts mit dem Sieg – auch deshalb, weil die Boxenstopps diesmal nicht optimal abliefen. So verlor Vettel zwei Positionen und bekam später auch ziemlich deutlich vom Team gesagt, er solle nicht angreifen, sondern sich mit Platz drei und dem Titel begnügen. Es wäre aber laut Vettel ohnehin „sehr schwer geworden, an Fernando vorbeizukommen. Noch einmal hätte er mich sicher nicht so durchlassen wollen wie in Monza.“

Auch Red Bulls Motorsportdirektor Helmut Marko wirkte nach dem Rennen eher nüchtern und analysierte sachlich, warum man nicht gewonnen habe und stellte fest, dass es auch nach dem Titelgewinn wichtig sei, jetzt bei den nächsten Rennen auf jeden Fall wieder zu gewinnen. Nur Papa Norbert Vettel, mit gleich zwei mitgebrachten Schaumstoffhänden mit dem „Vettelfinger“ – für zwei Titel – konnte seine Freudentränen kaum zurückhalten: „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Aber ich bin nicht Weltmeister – ich bin nur Vater.“

Vettel näherte sich Schritt für Schritt dem Stadium seines Vaters. Erst einmal sprach er davon, dass er und Red Bull sich „Schritt für Schritt“ gemeinsam zu dem Team entwickelt haben, das man heute sei. Auf diese Weise habe man sich auch diesen Titel erarbeitet, der angesichts der starken und harten Konkurrenz nicht einfach zu erringen gewesen sei, sagte er. „Wir hatten zwar ein sehr gutes Auto, aber auch nach dem wirklich tollen Start in die Saison war es wichtig, diesen Trend aufrechtzuerhalten, sich auf jedes einzelne Rennen zu konzentrieren, keine Fehler zu machen, wie sie uns letztes Jahr noch öfter passiert sind.“

Und Schritt für Schritt kam eben dann auch die Freude über das Erreichte immer stärker durch, trat das verlorene Rennen in den Hintergrund. Erst später, nach der halbstündigen Pressekonferenz und einem fast einstündigen Marathon an Fernsehinterviews, nach dem Sprint durch die Boxengasse zu seinem Team zum obligatorischen Weltmeisterfoto, brach die Feierstimmung bei allen zwischen großen Lautsprecherboxen und Champagner durch. Inzwischen war es in Suzuka schon dunkel geworden, doch die Haupttribüne gegenüber der Boxengasse war noch immer voll. Die Fans hatten ausgeharrt und auf den neuen Weltmeister gewartet. Vettel und das Team bedankten sich, in dem sie über die Boxenmauer auf die Strecke sprangen und den Japanern zujubelten. Auf dem Weg zurück sozusagen stand Vettel eine gute Minute winkend auf der Boxenmauer, im Licht der Scheinwerfer und der Blitzlichter – und da fiel die Spannung endgültig ab. Die Freude hielt Einzug in sein Gesicht und auch die Rührung. Als ihm dann das britische Fernsehen dann auch noch einmal viele Bilder seiner Karriere zeigte, da kämpfte der junge Heppenheimer dann doch mit den Tränen.

Später kehrte er aber wieder zur Sachlichkeit zurück. In einer zweistündigen Besprechung wurde das nicht ganz triumphale Rennen mit dem Team noch einmal durchgekaut. Professionelle Nachbereitung muss sein, auch nach dem Titelgewinn, „denn auch wenn jetzt sehr viel Druck weg ist, heißt das ja noch lange nicht, dass es jetzt leichter wird, denn wir wollen schließlich weiter gewinnen, in den nächsten Rennen unsere Chancen suchen“.

Dann endlich hatte Vettel ein bisschen Zeit für eine Massage von seinem Freund und Physiotherapeuten Pärmakoski, für ein bisschen Essen und für die Freude auf die Party, die in der Nacht in einem Hotel abseits der Strecke teamintern steigen sollte. Weil am Montag noch ein Sponsorentermin anstand, hatte jemand endlich einmal die der Situation angemessene Unvernunft und schlug vor, doch einfach durchzumachen.

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