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Sport: Die große Freiheit

Michael Uhrmann beschert den Deutschen den ersten Saisonsieg im Skispringen

Zakopane. Da stand er nun, ganz oben auf der Wielka-Krokiew-Schanze von Zakopane. Unten warteten 33 000 Zuschauer auf den letzten Sprung, auf den Sprung von Michael Uhrmann. Die Polen hofften auf den Sieg von Lokalmatador Adam Malysz, die Deutschen hofften auf den ersten Sieg in der für sie bisher nicht optimal verlaufenen Saison.

97,5 Meter musste Uhrmann jetzt bis zum Absprung hinter sich bringen, nach dem ersten Durchgang hatte er mit 134 m den ersten Platz belegt, um dem deutschen Team samt ihres neuen Cheftrainers Wolfgang Steiert ihr Selbstvertrauen zurückzugeben. Dann segelte Uhrmann erneut so weit, dass er gewann. Unten angekommen reckte er seine Ski jubelnd in den Nachthimmel und verscheuchte mit lautem Jubel endgültig den Frust vergangener Tage. Die Polen aber, unter ihnen Präsident Kwasniewski, zeigten sich als gute Gastgeber und freuten sich mit dem Deutschen. Es konnten auch alle zufrieden sein, denn auch Malysz hatte sich mit dem zweiten Platz aus einer tiefen Krise gesprungen, die die alte Liebe zwischen ihm und seinen Fans auf eine harte Probe gestellt hatte.

Zufrieden konnte auch Bundestrainer Wolfgang Steiert sein, dem zuletzt, nach der eher verkorksten Vierschanzentournee, vorgeworfen worden war, er würde die Ergebnisse nur schönreden. Aber er hat an sein Team geglaubt, hat immer wieder darauf verwiesen, dass Michael Uhrmann und Georg Späth (gestern 12.) durchaus in der Lage seien, mit guten Ergebnissen für die schwächelnden Hannawald und Schmitt einzuspringen. Allein der letzte Beweis fehlte bisher.

Dabei hatte Uhrmann schon bei der Vierschanzentournee gute Ergebnisse, wurde in Oberstdorf sogar Vierter und hatte die eine oder andere Chance, auch zu gewinnen, die er stets mit einem schwachen zweiten Sprung ungenutzt ließ. Ohnehin tut Uhrmann der Mannschaft gut. Der Mann ist zwar erst 23 Jahre, aber der Bundesgrenzschutz-Beamte zeigt oft erstaunliche Reife und gilt als Integrationsfigur. Er macht den Mund auf, gerne auch mal für einen lockeren Spruch, ein Gaudi-Bursche eben, der die stillen, teils melancholischen Kollegen aufmuntern kann.

Sven Hannawald wird gute Laune gebrauchen können, nachdem es ihn wieder verwehte und er auf dem frustrierenden 30. Platz landete. Sein alter Trainer Reinhard Heß hatte Hannawald empfohlen, eine längere Pause zu machen, um an der Technik und an der Psyche zu arbeiten. Gestern fielen Hannawald als Erklärung für das konstant schwache Abschneiden auch nur Hilflosigkeiten ein: „Mir fehlt die Grundform, die sich die anderen erarbeitet haben. Ich muss da was verschlafen haben.“

Aber Uhrmann könnte auch in dieser Hinsicht ein ungewolltes Vorbild sein. Der Fußball-Fan aus dem Bayrischen Wald hatte sich als Jugendlicher in der Pubertät körperlich so gravierend verändert, dass er seine erlernte Technik nicht mehr anwenden konnte. Er musste umschulen, sich und sein Sprungverhalten verändern. Mittlerweile scheint er sein Sprunggefühl gefunden zu haben und ist ebenfalls nach einer langen, dreijährigen Krise auf dem Weg zum neuen Leistungsträger.

Nach seinem gestrigen Sieg plauderte Uhrmann jedenfalls ausgelassen über „mein Herzklopfen“, das er „vor dem letzten Sprung verspürte“ und freute sich über die Ausgelassenheit der „total fairen Zuschauer“. Unheimlich „viel Spaß“ habe es gemacht, „vor dieser Kulisse zu springen“. Das fanden auch alle anderen, so dass Polens Präsident Kwasniewski am Ende euphorisch verkündete: „Ich bin sehr stolz, das ist eine europäische Atmosphäre. Wir sind Freunde.“

Piotr Musiol

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