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Der Bayern-Manager und sein Nachfolger. Christian Nerlinger muss nach drei Jahren seinen Posten räumen, Matthias Sammer (rechts) wird schon heute übernehmen. Foto: MIS

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Sport: Die große Lösung

Der FC Bayern München trennt sich von Christian Nerlinger und wirbt Matthias Sammer vom DFB als Vorstand Sport ab.

Wenn für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) alles nach Plan gelaufen wäre, hätte der gestrige Montag im Zeichen großer Feierlichkeiten gestanden. Die Nationalmannschaft wäre als Europameister aus Kiew zurückgekehrt, hätte sich in Berlin oder Frankfurt von ein paar hunderttausend Fans feiern lassen – und niemand hätte an den Alltag gedacht. Es ist bekanntermaßen ein bisschen anders gelaufen. Der Montag war für die Funktionäre in der Otto-Fleck-Schneise im Frankfurter Stadtwald ein normaler Arbeitstag, zumindest bis um kurz nach neun bei Wolfgang Niersbach das Telefon klingelte, sich Matthias Sammer meldete und um die Freigabe aus seinem Vertrag als Sportdirektor bat. Sammer wechselt als Nachfolger von Christian Nerlinger zu Bayern München.

Sammers Vertrag lief eigentlich noch bis 2016, nach Informationen des Tagesspiegels besaß der 44-Jährige eine Ausstiegsklausel, die jedoch ausschließlich für einen Wechsel zu den Bayern galt. Sammer wird beim Rekordmeister den Titel „Vorstand Sport“ führen und für alle sportlichen Belange zuständig sein.

Leidtragender der Entwicklung ist Christian Nerlinger, der erst vor drei Jahren Nachfolger von Manager Uli Hoeneß geworden war. „Bei der Aufarbeitung der zurückliegenden Saison zwischen Aufsichtsrat und Vorstand des FC Bayern München und Christian Nerlinger wurden unterschiedliche Auffassungen über das Konzept für die Zukunft der Mannschaft deutlich“, teilten die Bayern mit. Die Entscheidung, sich zu trennen, war längst beschlossen, sollte aber erst nach der EM verkündet werden. Dass die bayrischen Ansprüche und Nerlingers Auftreten unvereinbar waren, zeigte sich exemplarisch Anfang März, als die Münchner 0:2 in Leverkusen verloren hatten und sieben Punkte hinter Borussia Dortmund lagen. Nerlinger blickte resigniert in die Kameras und verkündete: „Wir müssen sicherlich nicht mehr von der Meisterschaft reden.“ Er mag nicht unrecht gehabt haben, bei Bayern aber sind solche Sätze verpönt. Die Bosse waren merklich irritiert.

Schon während der Amtszeit von Trainer Louis van Gaal hatte es häufiger Misstöne zwischen Hoeneß und Nerlinger gegeben, weil der für Hoeneß’ Geschmack eine große Nähe zu dem Holländer pflegte. Auch sportlich kam von Nerlinger nicht viel: Transfers von Spielern wie Rafinha, Takashi Usami und Nils Petersen fielen in seine Verantwortung – es waren nicht unbedingt Spieler, die den FC Bayern nach vorne brachten. Trotzdem war der Vertrag mit Nerlinger erst im November bis 2014 verlängert worden. Die zweiten Plätze im Pokal, der Meisterschaft und der Champions League haben den Vorstand aber wohl zum Handeln bewegt. Mit Sammer, der mit seiner Familie in München wohnt, soll die Aura des Siegers zu den Bayern zurückkehren. Der neue Sportdirektor erhält eine Machtbefugnis, die Nerlinger immer verwehrt geblieben war: Sammer erhält einen Posten im Vorstand.

„Wir lassen Matthias Sammer nur sehr schweren Herzens gehen“, sagte DFB-Präsident Niersbach, der von der Entscheidung vollkommen überrascht wurde. „Er hat mit seiner Kompetenz und Leidenschaft viel für die Talentförderung in Deutschland bewegt und dem Verband mit seiner Art unglaublich gut getan.“ Sammer war seit 2006 Sportdirektor. Seine Zuständigkeit endete jedoch da, wo die Kompetenz des Bundestrainers Joachim Löw begann. Bei der U 21.

Am wichtigsten Nachwuchsteam des Verbandes hat sich immer wieder Streit entzündet, zuletzt bei der Frage, ob Löws Vertrauter Rainer Adrion nach der verpassten EM-Qualifikation Trainer der U 21 bleiben dürfe. Wie so oft setzte sich der Bundestrainer auch in dieser Angelegenheit durch. Das Verhältnis war von Anfang an nicht frei von Spannungen. Sammer wurde gegen den Willen von Löws damaligem Vorgesetzten Jürgen Klinsmann als Sportdirektor installiert. Klinsmann hatte den Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters favorisiert, der inzwischen als Sport- und Nachwuchskoordinator beim Bundesligisten TSG Hoffenheim arbeitet.

Auch fachlich gab es große Differenzen zwischen Sammer und Löw. Während der Bundestrainer vor allem Wert auf schönen Fußball legt und darin den Schlüssel zum Erfolg sieht, glaubt Sammer, dass es ohne die deutschen Tugenden nicht geht. Schon in der Nachwuchsausbildung müsse großer Wert auf die Schulung der Mentalität gelegt und Führungsqualität vermittelt werden. Die Debatte hat nach dem Halbfinal-Aus der Deutschen bei der EM noch einmal an Schärfe gewonnen. Offensichtlich hatte Matthias Sammer trotzdem nicht das Gefühl, dass er sich mit seiner Ansicht im Verband würde durchsetzen können. (Mitarbeit: ale)

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