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Sport: Die große Verlockung

Die späte Vergabe der US-Fernsehrechte gibt Chicago beste Chancen, die Olympischen Spiele 2016 auszurichten

Es ist immer noch nicht sicher, ob Barack Obama nach Kopenhagen kommt. Die Reise sei „absolut möglich“, sagte der Sprecher des US-Präsidenten Robert Gibbs am Wochenende, „es gibt aber noch keine endgültige Entscheidung.“ Obama könnte am Freitagmorgen vor der Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auftreten und für seine Heimatstadt Chicago werben – und anschließend sofort wieder nach Hause fliegen. Zuletzt hieß es, dass Obama nur anreisen werde, wenn mit einer Vergabe der Olympischen Spiele 2016 an Chicago zu rechnen sei. Demnach dürfte er wohl kommen.

Chicago gilt als aussichtsreichster Kandidat. Dabei ist es nicht einmal so, dass die Unterlagen so viel überzeugender sind als die der Konkurrenten Rio de Janeiro, Tokio oder Madrid. Viele glauben sogar, dass Rio leichte Vorteile habe, weil es noch nie Sommerspiele in Südamerika gab. Aber Chicago hat einen überzeugenden Vorzug. Die Vergabe der TV-Rechte für die USA für 2016 findet erst nach diesem Wochenende der Entscheidung statt, dann, wenn der Ausrichter schon feststeht. Und das dürfte die Damen und Herren vom IOC doch der Metropole des Mittleren Westens gegenüber ziemlich positiv stimmen.

Der Grund ist simpel: Die Einnahmen aus den Fernsehrechten in den USA sind die Haupteinnahmequelle des IOC. Im Jahr 2008 zahlte der Sender NBC 894 Millionen Dollar an das IOC, etwa 51 Prozent der Gesamteinnahmen für globale Fernsehrechte und 37 Prozent des Gesamtgewinns des Komitees. Ohne die amerikanischen Fernsehsender gäbe es wohl keine Spiele. Da ist es nachvollziehbar, dass das IOC die Versteigerung der Rechte auf einen Termin nach der Vergabe des Austragungsortes verlegt hat. Denn für Spiele im eigenen Land werden die US-Sender wohl wesentlich mehr Dollars ausgeben. Der offizielle Grund für die Verlegung der Versteigerung – das schlechte wirtschaftliche Klima noch vor wenigen Monaten – dürfte zwar auch eine Rolle gespielt haben. Aber er wird gewiss nicht so schwer gewogen haben wie die Möglichkeit, mit dem Argument der Heimspiele im Ärmel die US-Sender an den Verhandlungstisch bitten zu können. Und die Taktik hat auch schon Wirkung gezeigt.

Rupert Murdoch etwa, Chef des Newscorps-Konzerns, dem der Sender Fox gehört, hat signalisiert, dass er nur mitbietet, wenn die Spiele nach Chicago kommen. „Es ist ziemlich schwer, mit Olympiaübertragungen Geld zu verdienen“, sagt Murdoch, „aber Spiele in Chicago wären schon eine sehr große Verlockung.“ Als Spitzenkandidat für den Zuschlag gilt allerdings weder Fox noch NBC, sondern ESPN. Der Sportsender hat deutlich gemacht, dass er keine Scheu mehr hat, sich mit den großen Sendern anzulegen. Für das Topspiel im College-Football, die Rose-Bowl, hat ESPN 100 Millionen Dollar mehr als Fox geboten. Die US-Rechte für die Fußball-WM 2010 hat sich ESPN bereits gesichert, und über die Olympischen Spiele 2016 hat Programmdirektor John Skipper gesagt: „Wir werden da sein.“

Beim IOC wird man es gerne hören. Das Einzige, was die Herren der Ringe gegen Chicago stimmen könnte, ist die Tatsache, dass der Chef des amerikanischen Olympia-Komitees, Peter Ueberroth, sich derzeit mit ihnen anlegt. Ueberroth möchte einen eigenen Kabelsender für olympische Sportarten in den USA aufziehen und damit dem derzeitigen IOC-Partner NBC Konkurrenz machen. Wenn es um die Milliarden-Deals geht, wird dieser Zwist jedoch schnell vergessen sein. Die Tage von NBC als Olympiasender sind wohl gezählt, und Ueberroths Spartensender wird letztlich niemandem wehtun. Die Masse des US-Sportpublikums wird sich auch weiterhin nur alle vier Jahre für etwas anderes als Football, Baseball, Basketball oder Eishockey interessieren. Dann aber wird richtig Kasse gemacht.

Sebastian Moll[New York]

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