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Sport: Die gute Niederlage

Ruderer Hacker wird Zweiter und hofft auf Athen

Luzern/Berlin - Marcel Hacker drehte seinen Oberkörper und klopfte Olaf Tufte auf den rechten Oberarm. Eigentlich sah es schon eher wie ein Tätscheln aus. Eine harmonische Geste. Aber Tufte konnte nicht sofort zurückklopfen, er hatte die Hände nicht frei. Er hievte gerade mit verzerrtem Gesicht den schweren Pokal in die Höhe, den man ihm überreicht hatte. Man hätte denken können, Tufte, der bärenstarke Norweger, hätte seine Kraft auf dem Rotsee in Luzern verbraucht. Bei seinem Sieg im Einer bei der Rotsee-Regatta. Und jetzt, auf dem Steg, wo die drei Besten eines Rennens ausgezeichnet wurden, ginge ihm die Power aus. Dabei steht fest: Marcel Hacker, der neben Tufte stand, ging sie früher aus, deshalb wurde er ja auch nur Zweiter.

Wieder mal. Bei der WM 2003 in Mailand war Hacker auch schon von Tufte besiegt worden. Aber damals hatte er auf dem Steg eher verbissen gratuliert, damals hatte er sich gefragt, wie das hatte passieren können: diese Final-Niederlage nach 41 Siegen in Folge. Und in der Nacht nach seinem WM-Sieg stand Tufte in der Altstadt von Mailand, neben ihm stand ein Freund, und der Freund schrie in die Nacht: „Er hat Hacker zum verdammten Frühstück verspeist.“

In Luzern hätte so ein Gebrüll komisch geklungen. Hacker zu besiegen war kein Problem, das wusste jeder aus der Szene. Deshalb war der Deutsche auch so gelassen. Denn Platz zwei ist genau genommen sogar ein Erfolg. Michael Müller, der Sportdirektor des Deutschen Ruderverbands (DRV), hatte vor der Regatta nämlich noch gesagt, dass Hacker im Finale möglicherweise gar nicht antreten werde. Aus Sicherheitsgründen. Denn Marcel Hacker, Weltmeister 2002, Vize-Weltmeister 2003, hatte im Mai ein Virus im Körper. Er konnte drei Wochen lang nicht trainieren. Ärzte untersuchen ihn zurzeit ständig. Wenn sein Puls in Luzern nach dem Vorlauf zu lange zu hoch gewesen wäre, hätten ihm die Mediziner einen Start im Finale verboten.

Keiner hätte gegen diese Anordnung protestiert. Sie machen doch nicht leichtfertig das Projekt Olympia kaputt, Hacker und sein Trainer Andreas Maul und der Verband. Hacker ist schließlich immer noch eine der großen Olympiahoffnungen. Bis zur Viruserkrankung haben sie bei ihm ziemlich fest mit Gold gerechnet im Verband. Jetzt hoffen sie nur noch darauf. Der Trainingsrückstand ist nämlich eine üble Geschichte. Die Olympia-Vorbereitung von Hacker ist dadurch gestört. Maul hofft, dass die Defizite im Höhentrainingslager aufzuholen sind.

Doch wenn Hacker körperlich nicht richtig fit ist, dürfte er in Athen gegen Tufte keine Chance haben. Und wenn er in Topform ist? Wie ist es dann? Dann kommt immer noch die Frage nach seiner Nervenstärke. So eine Niederlage wie die von Mailand sitzt tief. Wie tief, weiß keiner. Und deshalb ist es auch unklar, ob der 27-Jährige in Athen Tuftes Angriffen gelassen begegnet oder ob er wieder einbricht. Zu Hacker gehört nämlich auch, dass er mitunter seine Nerven nicht im Griff hat. Bei der WM 2001 startete er im Halbfinale gegen jede Absprache wie ein Verrückter. Bei 1500 m brach er zusammen, im Ziel kollabierte er. Das Finale hatte er verpasst. Dabei hatte er vor der WM 2001 noch 13 von 15 Rennen gewonnen. Und dann? Dann kam die Siegesserie vor der WM 2003. Und die Niederlage von Mailand.

Aber gestern lief alles gut, gemessen an den Umständen jedenfalls. Hacker hatte sogar mit einem starken Finish den Angriff des Tschechen Vaclav Chalupa abgewehrt. Nur an Tufte kam er natürlich nicht heran. Na und? Andreas Maul, den Trainer, stört das nicht. Er hatte schon vor dem Finale gesagt: „Ein kurzfristiger Erfolg auf dem Rotsee bringt nichts.“

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