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Sport: Die Hölle wird zu heiß

Bei Real Madrid reißen die schlechten Nachrichten nicht ab

Madrid. Es war nur ein einziger Satz auf einem einfachen Stück Stoff. „Für Euch gibt es Huren und Geld, uns bleiben Empörung und Depression“ stand auf dem 30 Meter langen Plakat, das Fans am Zaun des Trainingsgeländes befestigt hatten. Dieser Satz reichte aus, um den stolzen Verein in die Flucht zu schlagen. Jorge Valdano, Sportdirektor von Real Madrid, fürchtete um die Gesundheit seiner Spieler und schickte sie nach La Manga ins Trainingslager. Weit weg von den Fans, weit weg von der „Hölle, die dem Fußball viel zu nahe steht“, wie es Madrids Trainer Carlos Queiroz kürzlich gesagt hat.

So empfinden sie die Situation also bei Real Madrid: wie die Hölle. Und tatsächlich haben die Spieler, der Trainer, ja alle Verantwortlichen des berühmtesten Fußballvereins der Welt Grund genug anzunehmen, dass es sehr heiß wird um den Klub herum: aus dem Liga-Pokal ausgeschieden, rausgeflogen aus der Champions League und jetzt gedemütigt in der Meisterschaft mit 0:3 gegen den Provinzklub Osasuna. Diese jüngsten Ereignisse haben die Nerven beschädigt, und die Kritikfähigkeit der Klubführung hat in dem Maße gelitten wie die Leistungen der Mannschaft auf dem Rasen. Nun steht nicht weniger auf dem Spiel als die Zukunft.

In Kürze schon wird sich entscheiden, ob Real Madrid in dieser Saison wenigstens einen Titel gewinnt. Am Samstag steigt das Derby gegen den Lokalrivalen Atletico Madrid, eine Woche später ist die wiedererstarkte Elf des Rivalen FC Barcelona in Madrid zu Gast und am darauf folgenden Wochenende muss Madrid zu Deportivo La Coruna reisen – jener Mannschaft, die den AC Mailand aus der Champions League warf. Zu allem Überfluss schied am Sonntag Ronaldo mit einem Muskelfaserriss aus und wird in den entscheidenen Spielen um die Meisterschaft nicht zur Verfügung stehen.

Kritische Phasen dieser Art gab es für Real zwar auch in den vergangenen Jahren. In solcher Lage bewährte sich indes stets die ruhige Hand von Trainer Vicente del Bosque. Doch der wurde im letzten Sommer gefeuert und zur allgemeinen Verblüffung durch den Portugiesen Queiroz ersetzt. Der ehemalige Kotrainer von Manchester United sorgt nun dafür, dass alles noch um einiges schlimmer läuft, wie viele meinen – und niemand traut diesem Trainer ernsthaft zu, die Mannschaft aus der Krise führen zu können. Doch nicht nur der Trainer steht bei den Anhängern in der Kritik, mittlerweile werden auch Sportdirektor Jorge Valdano und Präsident Florentino Perez mit Schmähungen bedacht.

Beide haben nach Ansicht der meisten Experten zwar in den ersten drei Jahren ihres Wirkens fast alles richtig gemacht – in letzter Zeit aber wurden Entscheidungen getroffen, die sich noch als falsch herausstellen könnten. Das Duo konzentrierte sich während der vergangenen Monate vor allem darauf, die Verträge der teuersten Stars wie Ronaldo oder Zidane vorzeitig um Jahre zu verlängern. Damit haben sie nur erreicht, dass der notwendige Umbau der Mannschaft nicht stattfinden kann. So lässt sich absehen, dass das einst so hochklassige Ensemble zu einer Versammlung alternder Diven werden könnte – mit königlichen Gehältern.

Trotz aller Anfeindungen wollen die beiden Hauptverantwortlichen des Klubs ihre Politik fortsetzen und weiterhin die besten Spieler der Welt verpflichten, ergänzt um Eigengewächse. Funktioniert hat das aber nur, solange Vicente del Bosque Trainer war, der mit den Stars umzugehen verstand und auch den Mut besaß, Nachwuchsleute einzusetzen. Beobachter finden, dass Queiroz beides nicht kann. Und auch Perez und Valdano haben das anscheinend registriert.

Vielleicht wird es sogar Valdano sein, der seinen Job verliert. Manche Fans träumen schon vom Sportdirektor del Bosque, und die Fans haben auch schon einen neuen Trainer ausgemacht: Jose Antonio Camacho – früher selbst Spieler bei Real und derzeit Coach von Benfica Lissabon. Der müsste ab 2005 aber wohl auf Roberto Carlos verzichten. Nach dem Bericht eines spanischen Radiosenders soll der brasilianische Weltmeister schon einen Vorvertrag beim FC Chelsea aus der englischen Premier-League unterschrieben haben. Die schlechten Nachrichten bei Real Madrid wollen nicht aufhören.

Harald Irnberger

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