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Sport: Die Hoffnung ist gepierct

Sina Schielke soll ein neues Gesicht der deutschen Leichtathletik werden

Am 13. August beginnen die Olympischen Spiele in Athen. Bis dahin stellt der Tagesspiegel deutsche Sportler vor, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Heute: Sina Schielke.

* * *

Werner Köster erhielt kürzlich einen Anruf von einer Fernsehzeitung. Am Telefon eine Redakteurin, sie sagte: „Wir benötigen für ein Titelbild der Olympia-Ausgabe ein Foto von Sina Schielke.“ Das Problem war nur, dass dieselbe Zeitschrift vor drei Jahren schon mal Sina Schielke, die Sprinterin, auf den Titel hob, passend zur WM. Damals sagte Schielke ihren Start kurzfristig ab. Zu kurzfristig für die Zeitschrift. Schielke blieb auf dem Titel. Deshalb war Köster, der Manager der Sprinterin, vorsichtig: „Denkt an die Geschichte vor drei Jahren“, sagte er. Aus dem Telefonhörer drang ein Seufzer. „Wen sollen wir sonst nehmen aus der Olympia-Mannschaft?“

Das ist der Punkt.

Sina Schielke ist ja nicht bloß eine schnelle Frau. Sie hat ein Modelgesicht, sie startet in der attraktivsten Disziplin einer olympischen Kernsportart, dem 100-m- Lauf, sie hat einen gepiercten Bauchnabel und ein Lachen, das verzaubern kann und auf Werbeplakaten gut rüberkommt. Es gibt noch andere attraktive Frauen im Olympiateam, aber keine in dieser Kombination.

Deshalb gilt Sina Schielke auch als Hoffnungsträgerin. Die Leichtathletik benötigt ein neues Gesicht. Ein Gesicht ist wichtig. Mit der Masse von Namen und Athleten können die Zuschauer nichts anfangen. Sie müssen ihre Emotionen bündeln und mit jemandem mitfiebern können. Oder sie müssen sich an ihm reiben. Frank Busemann, der Zehnkämpfer, war mal kurzzeitig so ein Gesicht. Ein positiver Held. Das ist sowieso das Beste, für die Sponsoren, für den Verband. Ein unbekümmerter Kerl, der quasi aus dem Nichts auftaucht und Olympia-Silber gewinnt. Aber Busemann ist abgetreten und die Leichtathletik in der Krise. Sie braucht jetzt dieses neue Gesicht.

Keine andere Athletin wird medial so vorbereitet auf diese Rolle wie die 23-jährige Studentin aus Dortmund. Die Illustrierte „Max“ wollte unbedingt Fotos von Schielke, sagt Köster. Die „Bunte“ hat angefragt, „Maxim“ auch, und dann erhielt Köster auch noch einen Anruf aus den USA. Ein Redakteur von „Woman wear daily“ wollte unbedingt Fotos von Sina Schielke. Köster hatte noch nie von so einer Zeitschrift gehört. Er ließ im Internet recherchieren. Ergebnis: Das Blatt hat eine sechsstellige Auflage. Der Manager sandte Fotos in die USA. Die Sprinterin selber sagt manchmal leicht genervt, dass sie als Sportlerin wahrgenommen werden möchte, nicht bloß als attraktive Frau. Aber da ist viel Koketterie dabei. Die Model-Fotos macht sie ja gerne.

Kann Sina Schielke dieses neue Gesicht werden? Werner Köster, ihr Manager, lehnt sich leicht zurück und sagt langsam: „Sie kann eines der Gesichter werden.“ Nur eines, nicht das Gesicht. Das ist der Haken bei der Medienfigur Schielke. Ein Gesicht ist ja zugleich ein Gesamtkunstwerk. Es muss attraktiv und prägnant sein, es muss aber auch Erfolge haben. Die Erfolge der Sina Schielke: Sie ist zweifache Junioren-Europameisterin, aber das war 1999. Sie wurde ein Jahr später Junioren-Weltmeisterin mit der Staffel und Vize-Weltmeisterin über 200 m. Sie war U-23-Europameisterin über 100 m, das war 2001 und interessierte keinen. EM 2002: mit 11,48 Sekunden über 100 m im Halbfinale gescheitert. Aber wenigstens Silber mit der Staffel. WM 2003: kein Start, verletzt.

Was muss sie machen in Athen, damit sie eines dieser Gesichter der Leichtathletik wird? „Sie sollte ins Halbfinale kommen“, sagt Köster. „Und dann hängt es davon ab, wie sie sich hält im Halbfinale. Persönliche Bestzeit in Athen, das wäre am besten.“ Ihre Bestzeit liegt derzeit bei 11,16 Sekunden. „Wenn sie das Gesicht der Leichtathletik schlechthin werden wollte, müsste sie schneller laufen.“ Bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig gewann sie die 100 m in 11,26 Sekunden und die 200 m mit 23,73 Sekunden. International läuft sie damit in der dritten Reihe.

Sponsoren warten auf einen überzeugenden Auftritt. Ein paar andere Verträge sind ausgelaufen. „Weil sie aufgrund ihrer Verletzungen nicht in Erscheinung trat“, sagt Köster. Sie hatte lukrative Verträge, aber jetzt muss etwas kommen. Etwas Sportliches. Ein gepiercter Bauchnabel allein reicht nicht. Aber zu viel wird nicht kommen, das sagt die Sprinterin. „Ich habe mich damit abgefunden, bei der WM oder Olympia nie eine Einzelmedaille zu holen.“ Im Klartext: Gegen gedopte Gegnerinnen ist sie chancenlos. Aber sie weiß auch, dass sie nicht bloß auf andere zeigen kann. Das allein schützt nicht ihren Marktwert. Sie muss schon auch etwas leisten. „Wenn die eigenen Leistungen schlecht sind“, sagt Sina Schielke, „taucht Doping schnell als Alibi auf.“

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