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Sport: Die innere Sicherheit

Roger Federer ist im Tennis nicht mehr zu bezwingen: Der Schweizer siegt auch bei den US Open

Die Erwartungen hätten kaum geringer sein können. Die US-Fernsehstation CBS klammerte sich an das letzte Bild der an diesem Wochenende beginnenden Football-Saison, als hinge davon ihr Quotenheil ab. Erst im letzten Moment schaltete der Sender auf den Center Court in Flushing Meadows um, wo Roger Federer im Finale der US Open aufschlug. Was der junge Schweizer dann in nicht einmal zwei Stunden gegen Lleyton Hewitt bot, hätte ein langweiliges, weil einseitiges Schauspiel sein können. Aber mit seinen Schlägen von beängstigender Präzision und bizarrer Schönheit verzauberte Federer alle.

Nicht einmal seine Füße hätten ein Geräusch gemacht bei seinem Tanz mit dem Ball, schwelgte die Kritikerin der „New York Times“ in einem Anflug von Poesie, „mit seiner einhändigen Rückhand zeigte er, dass er die weißen Linien auch mit einem anderen Schlag als nur seiner tödlichen Vorhand gelb anmalen kann“. Es gebe niemandem, der dem Nummer-eins-Spieler der Welt im Augenblick im Wege stehe, dichtete „Newsday“, „außer den Größten aller Zeiten“. Und die „Times“ in London kürte Federer gar zu „Harry Potter mit dem Schläger des Feuers“.

Nur ihm selbst schien bei der Sache bis zum Schluss nicht heiß zu werden. Nach dem 6:0 im ersten Satz und dem 7:6 (7:3) im zweiten habe er beim 3:0 im dritten schon angefangen darüber nachzudenken, wie es sich anfühlen werde, den silbernen Siegerkelch hochzustemmen, gestand Federer. Als es geschafft war, sank er auf die Knie, ließ sich auf den Rücken fallen und blickte in den feuerroten Himmel der hereinbrechenden Nacht – eingehüllt vom Jubel und Applaus der faszinierten 25000 im voll besetzten Stadion. Er sei nahe daran gewesen, hemmungslos loszuheulen, gestand Federer, doch auch diesmal hatte er seine Gefühle rechtzeitig im Griff – oder es konnte schlicht niemand seine Tränen erkennen.

Hewitt, der australische Kämpfer, bekannte: „Er hat heute einfach in einer anderen Dimension gespielt.“ Das war besonders im ersten Satz nur allzu deutlich. „Da hat meine Vorhand wirklich perfekt gearbeitet“, sagte Federer. Er überließ Hewitt ganze fünf Punkte. Damit fertigte zum ersten Mal seit 1903 in der Geschichte der offenen amerikanischen Meisterschaften wieder jemand im Finale seinen Kontrahenten im ersten Durchgang zu null ab. Nur im Viertelfinale dieses Turniers war es Andre Agassi in einem aufregendem Match gelungen, Federer über fünf Sätze zu zwingen.

Der Titel von New York war der dritte Grand-Slam-Sieg für Federer in diesem Jahr (nach Melbourne und Wimbledon), das war zuletzt dem Schweden Mats Wilander vor 16 Jahren gelungen. Seit seinem Wimbledon-Erfolg im vergangenen Jahr spüre er eine innere Sicherheit, sagte Federer, „ich weiß, dass ich immer dann zulegen kann, wenn ich muss“. Dieses Gefühl hatte sich allerdings bislang nicht so richtig auf die US Open bezogen, bei denen der Schweizer traditionell Schwierigkeiten hatte, die ersten Runden zu überstehen. Das ging so weit, dass er sich zwischendurch fragte, ob er sie jemals gewinnen würde. „Selbst jetzt, wo ich es geschafft habe, ist es immer noch schwer zu glauben. Ich gucke zurück und frage mich: Wie um Himmels willen habe ich das gemacht?“

Vielleicht brauchte Federer gerade diese Einstellung. Nach seinem Ausscheiden beim olympischen Tennisturnier in der zweiten Runde war er frühzeitig mit seiner Freundin Miroslava Vavrinec nach New York angereist, genoss die Stadt und sah sich zwei Broadway-Shows an. Seit seiner Trennung von Trainer Peter Lundgren im Dezember zieht Federer mit einer ungewöhnlich kleinen Gefolgschaft von Turnier zu Turnier. Gemeinsam mit seiner Freundin übernimmt er den Business-Part seines Geschäfts, Reto Stabli, ein Freund aus Zürich, den er seit seiner Kindheit kennt, dient ihm als Spielpartner, und Pavel Kovac gehört als Fitness-Trainer zur Mannschaft. „Ich hatte eigentlich gedacht, ich finde jemand anderen als Trainer“, sagte Federer, „aber es läuft viel besser, als ich erwartet habe.“

Derweil fragt sich die Konkurrenz, wie es nun weitergeht. Viele glauben, er werde die Tour in den nächsten Jahren so beherrschen wie vor ihm Pete Sampras. John McEnroe, der die US Open für CBS kommentiert, ist sich dessen sicher: „Er wandelt in seinen Spuren. Die Selbstverständlichkeit, mit der er die Topspiele gewinnt, ist genauso verblüffend wie früher bei Sampras.“ Und der machte erst nach 14 Grand-Slam-Titeln Halt. Bleiben für Federer nach diesem Jahr noch elf. Aber er ist ja auch erst 23.

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