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Sport: Die Jungs von der Straße

Im schwedischen Göteborg beginnt in der kommenden Woche die Fußball-Weltmeisterschaft der Obdachlosen

Der Tag, an dem er mit seinem Team verloren hat, war der schönste im Leben von Uwe Bröckel. 5:8 gegen Spanien, Bröckel erzielte allein drei Tore. Das war bei der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Graz. Es war eine besondere Weltmeisterschaft. Das Wort vom Straßenfußballer erhält bei Bröckel und seinen Mitspielern eine ganz neue Bedeutung: Der 33-Jährige lebt in Stuttgart auf der Straße. An diesem Wochenende fährt er mit dem deutschen Team zur zweiten Fußball-WM der Obdachlosen ins schwedischen Göteborg.

Der World Homeless Cup ist eine Aktion von Obdachlosenzeitungen aus der ganzen Welt, und wie bei den Stars sind von Brasilien über England bis zu den Niederlanden alle großen Fußballnationen am Start. Deutschland auch, aber zum Kreis der Titelanwärter gehört die Mannschaft nicht. Im Vorjahr, bei der Premiere in Österreich, wurde man von 16 teilnehmenden Teams Vorletzter – mit null Punkten nach der Vorrunde und einem imposanten Torverhältnis von 4:44 Treffern. 0:14 im Auftaktmatch gegen die Niederlande, 1:8 gegen Südafrika, und dann noch die Sache mit den Trikots: Das „Greenpeace Magazin“ hatte als Sponsor des Teams die Spielkleidung entworfen und sich kühn für die Trikotfarbe Orange entschieden. Als man dann gegen die Niederländer antrat, liefen die selbstverständlich auch in Oranje auf. Die Deutschen mussten sich daraufhin ihre grünen Ersatzjerseys überziehen. „Da haben wir automatisch immer einen Orangefarbenen angespielt“, erinnert sich Bröckel.

In diesem Jahr soll das besser werden. Die Trikots sind diesmal weiß, und Teamchef Reinhard Kellner, der im normalen Leben Diplompädagoge und Geschäftsführer des Dachverbandes der Regensburger Sozialinitiativen ist, hat seine Jungs im Vorfeld sogar ins Trainingslager nach Göttingen beordert. Auch ein Trainer wurde engagiert. Der ehemalige Landesligakicker Dieter Hollnagel aus Schwerin hat mit seinen Schützlingen schon mal ein bisschen das Spielen mit der Bande geübt. Gespielt wird schließlich nach Streetsoccer-Manier mit vier Akteuren auf dem Kleinfeld, Spielzeit: zweimal acht Minuten.

„Mein sportlicher Anspruch hält sich allerdings in Grenzen. Im Mittelpunkt soll ja der Erlebnischarakter stehen“, sagt Kellner. Damit hat er aber die Rechnung ohne seine Spieler gemacht. Bröckel hat jedenfalls der Ehrgeiz gepackt. Und ein taktisches Konzept hat er auch schon: „Wir gucken, dass wir hinten dicht halten, und irgendwie wird uns der liebe Gott vorne schon helfen.“ Damit will die deutsche Mannschaft in diesem Jahr zumindest die Vorrunde überstehen.

Acht Obdachlose aus Stuttgart, Freiburg, Düsseldorf, Hamburg und Regensburg fahren nach Schweden. Kellner sammelt sie mit dem Auto kreuz und quer in der Republik ein, die Fahrtkosten spendieren die Straßenzeitungen, Adidas gibt die Schuhe hinzu. Bei allen übrigen Sponsoren, bei denen Kellner angefragt hat, handelte er sich Absagen ein. Dafür gibt es Fan-Unterstützung: „Wir haben sogar einen echten Schlachtenbummler aus Regensburg. Der fährt extra für diese Woche nach Schweden.“

Favoriten auf den Titel, der am 1. August ausgespielt wird, hat Kellner noch nicht ausgemacht: „So weit, dass man vorher die anderen Teams beobachtet, geht es denn doch nicht“, sagt er. Die Österreicher als Titelverteidiger, so hört man, sollen sich als Coach einen früheren Profi geangelt haben und mit einer Mannschaft afghanischer Flüchtlinge antreten, die allesamt starke Fußballer seien. Aber das ist für Kellner nicht wichtig: „Ich denke, für die Spieler wird ein solches Erlebnis so schnell nicht wiederkommen“, sagt der Teamchef. „Das ist wie eine Hochzeitsreise.“ Im kommenden Jahr wird es wieder eine WM geben. Dann geht es sogar nach New York.

Peter Ahrens[Göteborg]

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