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Sport: Die Lust am Untergang

Stefan Hermanns über das Chaos beim 1. FC Nürnberg Vier Jahre ist es her, dass aus großem Leiden große Kunst entstanden ist.

Stefan Hermanns über das Chaos

beim 1. FC Nürnberg

Vier Jahre ist es her, dass aus großem Leiden große Kunst entstanden ist. Es war der letzte Spieltag der FußballBundesliga-Saison 1998/99, und im Nürnberger Frankenstadion beobachtete Radioreporter Günther Koch, wie der 1. FC Nürnberg, sein Lieblingsverein, mit dem Lebensmut einer Eintagsfliege ins Verderben taumelte. Die Schlusskonferenz von diesem Spieltag gilt als Beispiel für großen Radiojournalismus, und einen entscheidenden Anteil daran hatte Kochs mitfühlende und mitleidende Schilderung von den Ereignissen in Nürnberg. „Wir melden uns vom Rande des Abgrunds“, hat Koch damals in sein Mikrofon gesprochen.

Der Abgrund liegt in Nürnberg, ganz in der Nähe des Valznerweihers. Wie anders wäre es zu erklären, dass der FCN immer wieder lustvoll in diesen Abgrund hineinhüpft? Als im Mai 1999 der letzte Spieltag angepfiffen wurde, standen die Nürnberger auf dem zwölften Tabellenplatz; als er zu Ende war, waren sie abgestiegen. Übertroffen werden solche Minderleistungen nur noch vom 1. FC Nürnberg selbst. 1968 war der Club Deutscher Meister geworden, ein Jahr später spielte er in der Zweiten Liga. Bayer Leverkusen kann so etwas schon deshalb nicht schaffen, weil Bayer Leverkusen niemals Deutscher Meister wird.

Spieler, Trainer und Funktionäre gehen – die Lust am Untergang bleibt. Sie ist wie ein Virus, der all die erfasst, die für den 1. FC Nürnberg arbeiten. Michael A. Roth, der Präsident des Klubs, hat gerade den erfolglosen Trainer Klaus Augenthaler entlassen, vier Spiele vor Ende der Saison. Augenthalers Nachfolger bleibt also nicht mehr viel Zeit, um den Klub noch vor dem Abstieg zu retten, und vielleicht wird Wolfgang Wolf, der neue Trainer, am Ende sagen: Hätte ich doch sechs Wochen mehr Zeit gehabt…

Schon vor sechs Wochen wollte Roth Augenthaler entlassen, doch dann ist er dem Druck der Fans gewichen. Der Gnadenakt für den Aufstiegstrainer Augenthaler hat dem selbstherrlichen Präsidenten sogar öffentliches Lob eingebracht. Roth hat damals die richtige Entscheidung getroffen. Und die falsche. So ist das am Rande des Abgrunds.

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