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Sport: Die Lust des Braven

Tomas Rosicky macht, was von ihm erwartet wird: Tore

Dortmund. Wenn es um Tomas Rosicky geht, klingen die Verantwortlichen von Borussia Dortmund immer irgendwie besorgt, beinahe bedrückt. Wenn er weniger gut spielt (ausnehmend schlecht ist er fast nie), mahnen sie mehr Führungsstärke an. Vor einer Woche erst hatten Trainer Matthias Sammer und Sportdirektor Michael Zorc ihn aufgefordert, auf dem Fußballplatz mehr Verantwortung zu übernehmen. Rosicky tat, was seine Vorgesetzten von ihm erwarteten. Im Bundesligaspiel gegen den VfL Wolfsburg führte er die Mannschaft zu einem klaren Sieg und steuerte zum 4:0 selbst zwei Tore bei. Und später bemerkte er höflich, die Kritik habe ihm gut getan.

Also alles bestens bei der Borussia? Nicht ganz. Spielt der Mittelfeldstratege stark oder gar überragend wie am Samstag, fürchtet Trainer Matthias Sammer, dass Rosicky bald „die ganze Last des Spiels tragen muss“. Dann malt er sich in dunklen Farben aus, der schmächtige Star könnte unter der Last zusammenbrechen, mag er auch „einer der außergewöhnlichsten Spieler der Bundesliga“ sein. An diesem Mittwoch muss der 22 Jahre alte Juniorchef des Dortmunder Teams seine Belastbarkeit als Führungskraft auf internationalem Niveau zeigen – im Hinspiel der letzten Qualifikationsrunde zur Champions League beim Belgischen Meister FC Brügge.

Dortmunds Mozart

Die Zeiten haben sich geändert in Dortmund, und Rosicky hat sich mit ihnen geändert. Er lässt seinem Spieltrieb freien Lauf, weiß aber auch zu kämpfen, sogar zu grätschen. Anfangs hatten sie ihn in Watte gepackt, egal ob er gut spielte oder nicht. Inzwischen begegnet der Arbeitgeber ihm fordernd: Er verlangt mehr Verantwortung und mehr Tore. Als äußeres Zeichen seines neuen Status trägt Rosicky die Spielführerbinde, solange der erste Kapitän Christoph Metzelder noch verletzt ist.

Wenn sich andere zu viele Sorgen um ihn machen, nimmt Rosicky sich einfach die Freiheit, die vermeintliche Last als Lust zu deuten. Dann spielt er Fußball, wie es ihm gefällt, und versucht zugleich die Bedenkenträger zu beruhigen. Wenn er die Harmonien des Dortmunder Spiels zusammenfügt, fühlen sich seine Bewunderer an einen Komponisten erinnert. Rosicky sei der Mozart des Fußballs, sagen sie. Jedenfalls ist er der kreative Kopf der neuerdings wieder inspirierten Dortmunder Mannschaft.

Aber kaum schlägt Rosicky kunstvolle Pässe, wird der besorgte Herr Sammer wieder nervös: Bitte nicht so viel mit dem Außenrist spielen. Doch wenn ihm die Reglementierung zu weit geht, wird der Genius aus Prag zum Lausbuben. Rosicky sucht sich eine Nische und macht einfach wieder, was ihm gefällt. Keine Pässe mit dem Außenrist? Einverstanden. Aber ganz auf diesen kunstvollen Umgang mit dem Ball zu verzichten, ginge zu weit. Also schoss Rosicky jüngst mit dem Außenrist ins Tor und merkte an, er habe nur gemacht, was er am besten könne. „Nach diesem Tor wird Matthias Sammer vielleicht sagen, ich sollte es doch wieder öfter so versuchen.“ Der Schönheit des Tores konnte sich nicht einmal Dortmunds häufig grummelnder Trainer verschließen. Außenrist-Verbot? „Überschätzt mal den Einfluss eines Trainers nicht“, sagte Sammer.

Rosicky erfährt aber nicht nur übertriebene, sondern auch tatkräftige Fürsorge von seinem Arbeitgeber. Im zentralen Mittelfeld hat der Verein ihm in Flavio Conceiçao, vormals Real Madrid, einen kongenialen defensiven Partner zur Seite gestellt. Der Brasilianer schafft Ordnung vor der Abwehr und strahlt die Sicherheit aus, die Rosicky braucht, um sich zu entfalten. Mit Conceiçao im Rücken kann er sich ganz dem kreativen und offensiven Spiel widmen. Und Tore schießen.

In 77 Bundesligaspielen hat Rosicky bisher elfmal getroffen. Für einen Spieler in seiner Position ist das kein überragender Wert; doch die beiden Tore am vorigen Wochenende lassen auf Besserung hoffen. Rosicky selbst sagt, ein richtiger Torjäger werde aus ihm wohl nicht mehr werden. Aber darauf kommt es auch nicht an, wenn die Hoffnung von Manager Michael Meier sich erfüllt. „Tomas ist auf dem Wege, der beste Mittelfeldspieler zu werden, den Borussia je hatte.“

Das Spiel zwischen Brügge und Dortmund beginnt um 20.30 Uhr. Die ARD überträgt live.

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