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Sport: Die Mauertaktik

Wenn die deutsche Elf am Mittwoch auf Zypern spielt, interessiert sich nur ein Teil der Menschen dafür

Erhan Basay ist ein viel beschäftigter Mann. Er führt einige Restaurants in Lefkosia, er hat eine Tochter, die er um zwölf Uhr von der Schule abholen muss, und er ist der Generalsekretär der Cyprus Turkish Football Association (KTFF). Verbandsgeneralsekretär, für andere ist das ein Vollzeitprojekt. Für ihn aber, sagt er, sei es nur ein Hobby. Für mehr fehlt ihm die Anerkennung. Seinem Verband fehlt die Anerkennung.

Der nordzypriotische Fußballverband hat im Juni in Deutschland die Weltmeisterschaft gewonnen. Basay und Verbandspräsident Niyazi Okutan haben viele Fotos mitgebracht. „Hier“, sagt Basay und deutet auf eine Abbildung rollender Leiber, „das ist nach dem letzten Elfmeter im Finale gegen Sansibar. Wir haben 4:1 gewonnen.“ Zurück in Lefkosia haben sie einen Pokal vorgezeigt, der größer war als der, den die Italiener gewannen. Das Problem ist: Es war die Weltmeisterschaft der von der Fifa nicht anerkannten Staaten. „Sansibar, Tibet, Grönland, mit denen messen wir uns“, sagt Basay. Und trotzig fügt er hinzu: „Wir schlagen die alle.“

Andere Gegner spielen nicht gegen das Team der Türkischen Republik Nordzypern. Die Türkei ist der einzige Staat, der sie anerkennt. So kommt es, dass gelegentliche Freundschaftsspiele gegen eine gemischte türkische Mannschaft für das nordzypriotische Team des neuen Trainers Ilker Ertemel ein Höhepunkt sind. „Da spielen dann ein paar von Galatasaray, ein paar von Fenerbahce“, sagt Ertemel. „Sonst bekämen die Vereine dort eine Strafe.“

Fußball findet hier, im Nichtstaat mit 260 000 Einwohnern, nur inoffiziell statt. Genau wie Politik: Nordzypern ist teilweise isoliert. Die Türkei, neben der früheren Kolonialmacht Großbritannien und Griechenland eine Garantiemacht der Insel, finanziert den türkischstämmigen und -sprachigen Norden. Der größere Südteil namens Republik Zypern dagegen, griechischstämmig und -sprachig, ist anerkanntes Mitglied der Staatengemeinschaft. Griechenland hat Südzypern in die EU hinein verhandelt. Die Hoffnung aber, die Aufnahme Zyperns könne Bewegung in den seit 43 Jahren schwelenden Konflikt zwischen den Volksgruppen der Mittelmeerinsel bringen, war vergebens.

Es gibt Lösungsvorschläge, in der Politik wie im Fußball. „Wir sind offen für Gespräche“, sagt Okutan, der KTFF-Präsident. Dasselbe sagt man auch im Süden. Aber es passiert nichts. Es gab nicht einmal ein Freundschaftsspiel gegeneinander. „Aus Angst vor Ausschreitungen“, sagt Erhan Basay. Immerhin: Er kann mit den privaten Telefonnummern von südzypriotischen Fußballfunktionären helfen. Ob er sie oft benutze? „Derzeit nicht.“

So spiegelt sich im Fußball die verfahrene politische Situation im Kleinen. Keine 20 Taximinuten vom Hauptsitz des KTFF, nahe der UN-gesicherten, geöffneten Pufferzone zwischen Lefkosia (türkisch) und Nikosia (griechisch), wird am Mittwoch Zypern gegen Deutschland spielen. Es könnte das Spiel des Jahres werden. Erhan Basay sagt: „Wir schauen uns unsere eigenen Spiele an. Aber nicht so oft die von denen“ – er geht ans Fenster und deutet in Richtung Süden.

Klaus Raab[Lefkosia]

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