zum Hauptinhalt

Sport: Die Metrostars hoffen auf ein Ende der Niederlagen

Der Fußball-Stammtisch trifft sich vor jedem Heimspiel der Metrostars. Sechs Sportreporter kauen im Presseraum des Giants Stadium in schöner Regelmäßigkeit erst missgelaunt auf den kostenlosen Sandwiches, um danach Dampf abzulassen.

Der Fußball-Stammtisch trifft sich vor jedem Heimspiel der Metrostars. Sechs Sportreporter kauen im Presseraum des Giants Stadium in schöner Regelmäßigkeit erst missgelaunt auf den kostenlosen Sandwiches, um danach Dampf abzulassen. "Es ist eine Strafe, diese Kicks anzusehen. Man muss einen förmlich dazu zwingen", sagt der Dickbäuchige. Der Kahlköpfige sinniert: "Wenn der Looh-thaa schlau ist, dann beendet er seine Karriere in München." Ein kurzer Blick auf den Kunstrasen genügt, um die Herrenrunde zu verstehen. Dort führt die Lach- und Schießgesellschaft der Major League Soccer (MLS) vor leeren Rängen einen Sommernachts-Albtraum auf. Die New York/New Jersey Metrostars kassieren gegen Chicago Fire mit 1:2 ihre zwölfte Niederlage in Folge. Ein Anhänger heult sich bei einem DSF-Reporter aus: "Bitte Lothar, komm, so schnell es geht."

Willkommen beim neuen Verein des Lothar Matthäus, dem böse Zungen das Prädikat "schlimmster Klub der Welt" verliehen. Magere fünf Partien hat das New Yorker Panikorchester erst gewonnen, drei davon auch noch im Shootout. Bei 22 Niederlagen haben die Metrostars die mit Abstand schlechteste Bilanz der MLS. Bora Milutinovic, der einst die Nationalteams von Nigeria, Mexiko und den USA trainierte, ist im Erklärungsnotstand. Er spricht vom Pech, individuellen Fehlern und davon, dass die Mannschaft in den restlichen sechs Saisonspielen durchaus noch einen Sieg einfahren kann. Doch die Stimme des so lebensfrohen Trainers klingt dabei nicht überzeugend.

Im Vergleich zum FC Hollywood wirken die Metrostars wie ein Ensemble der Kleinkunstbühne Giesing: keine Stars, keine Regie und kaum Publikum. Nur 8905 Fans wollten das Trauerspiel im 77 000 Zuschauer fassenden Giants Stadium gegen Meister Chicago sehen. Die vielen weißen und gelben Linien sind sichtbarer Beweis dafür, dass Soccer in New York eine untergeordnete Rolle spielt. Am Sonntag startet die Saison der National Football League, und dort hat die Millionen-Metropole mit den Jets und Giants gleich zwei Mannschaften zu bieten. "Der Wettbewerb um den Sportkunden ist enorm", sagt der Journalist Frank Giase. "Die Stadt hat schließlich zehn Profiteams."

Ende der 70er Jahre gelang es, mit Soccer die Arena zu füllen. Damals spielten Superstars wie Pele und Beckenbauer für Cosmos New York, das Team eilte von Sieg zu Sieg. Da die North American Soccer League aufgrund der namhaften Einkäufe rote Zahlen schrieb, gibt es in der 1996 gegründeten MLS Grenzen. Jeder Verein darf nur 1,6 Millionen Dollar an Gehältern zahlen, wobei kein Spieler mehr als 250 000 Dollar verdienen kann. Lothar Matthäus kassiert für seinen Einjahresvertrag nur deshalb eine Million, weil Sponsoren mit einer Finanzspritze nachhelfen. Diese Politik ist mit Schuld daran, dass die Metrostars die rote Laterne tragen. Da Matthäus bereits im Mai zur Mannschaft stoßen sollte, trennte man sich von Leistungsträgern, um den Spielraum für das Gehalt des Bayern-Stars zu schaffen und zudem eine Ausländerposition freizumachen. Als der Deal scheiterte, standen die Metrostars ohne Ersatz da.

"Darunter haben wir gelitten", meint Team-Kapitän Mark Semioli, der an keine schnelle Genesung des MLS-Sorgenkindes glaubt: "Natürlich wird Lothar uns helfen können. Doch neben einer Injektion mit frischem Blut müssen wir auch die Mannschaft zusammenhalten." Bislang kamen in jeder Saison zehn neue Spieler, ein neuer Trainer, doch Triumphe blieben aus. Im nächsten Jahr sind die Metrostars, deren TV-Quoten beim MSG Network seit 1996 um 48 Prozent sanken, zum Siegen verdammt. Sonst droht der gesamten Liga Unheil. "New York ist unser größter Markt, wir werden alles daran setzen, dass der Verein wieder Siege feiern kann", erklärt MLS-Boss Don Garber. Und wenn die Metrostars in der neuen Saison trotz aller Bemühungen nicht endlich leuchten? "Dann", sagt Bora Milutinovic mit einem verschmitzten Lächeln, "hat Matthäus immer noch New York. Diese Stadt ist zum Leben einfach gigantisch."

Stefan Liwocha

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false