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Erst Training auf dem Fußballplatz, dann Fortbildung in Sachen Menschenrechte. Die Nationalspieler absolvieren ein umfangreiches Programm.

© dpa

Die Nationalmannschaft informiert sich zu Katar: Die etwas andere WM-Vorbereitung

Wie steht es um die Menschenrechte im WM-Gastgeberland Katar? Die deutschen Fußball-Nationalspieler lassen sich bei einer Podiumsdiskussion informieren.

Manuel Neuer richtet sich auf und macht sich gerade. Vielleicht ist das Zufall, weil der Torhüter und der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft lediglich nach einer bequemen Sitzhaltung fahndet. Aber irgendwie passt das zu dem, was gerade auf dem Podium gesagt worden ist. Es passt zu dem Vorschlag, dass der Kapitän der Nationalmannschaft auch bei der WM am Ende dieses Jahres eine Kapitänsbinde in den Regenbogen tragen möge.

„Das sind symbolische Zeichen“, sagt Pia Mann von der Initiative „Discover Football“, die sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung stark macht, „aber die machen viel aus.“

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Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in den nächsten Tagen auf Italien, England und Ungarn trifft, geht es vordergründig um Punkte in der Nations League. In Wirklichkeit geht es schon um viel mehr. Um die Weltmeisterschaft in Katar nämlich. Das ist auch bei den Trainingseinheiten in Herzogenaurach zu spüren. Die lange Saison gemütlich austrudeln lassen? Von wegen!

174 Tage sind es noch, bis die Weltmeisterschaft im Emirat am Persischen Golf beginnt. „Diese WM ist eine spezielle“, sagt Steffen Simon, der frühere ARD-Sportchef und neue Mediendirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Und deshalb sitzen die Nationalspieler am Mittwochmittag nach ihrem Training in Reih und Glied und lauschen einer Handvoll Experten, die auf dem Podium über den WM-Gastgeber sprechen. „Der November kommt schneller, als wir denken“, sagt Simon.

„Der Fußball hat eine Verantwortung“, sagt Bierhoff

Die Diskussionen um die Menschenrechtssituation in Katar tangieren auch die Nationalspieler – selbst wenn sie einfach nur Fußball spielen wollen. „Es ist wichtig, dass wir uns informieren, dass wir uns damit beschäftigen, dass wir eine Position beziehen und der Fußball eine Verantwortung hat“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. „Es ist eine Entwicklung da, aber es reicht in vielen Dingen noch nicht.“

Schon im März waren Vertreter von Amnesty International und Human Rights Watch bei der Nationalmannschaft zu Gast, um den Spielern einen Überblick über die Zustände in Katar zu geben. „Man kriegt als Sportler nur einen Ausschnitt mit“, hat anschließend Thomas Müller gesagt, der mit seinem Klub, dem FC Bayern München, schon mehrmals in Katar war – und der trotzdem nicht das Gefühl hat, dass er das Land in allen Facetten kennengelernt hat. Das ist auch am Mittwoch so, bei der Podiumsdiskussion mit Teilnehmern aus verschiedenen Bereichen.

Es sind verschiedene Ausschnitte, die idealerweise ein Gesamtbild ergeben. Da ist zum einen der Sportmarketingexperte Roland Bischof, der in den vergangenen siebzehn Jahren 75 Mal in Katar war und der erzählt, dass dort längst nicht alles gut sei und doch „weit besser, als es dargestellt wird“. Es gebe ehrliche Reformen, gerade im Vergleich zu den Nachbarländern, und „wenn wir das alles wegbashen, kriegen die konservativen Kräfte wieder Oberwasser“.

Selbst Menschenrechtsorganisationen bestreiten nicht, dass in Katar Reformen auf den Weg gebracht worden sind, allerdings existieren viele Rechte auch weiterhin allenfalls auf dem Papier. Und so ist die Vorstellung, dass die Weltmeisterschaft das Emirat tiefgreifend verändern und modernisieren werde, vor allem eins: weltfremd.

„Katar ist das sicherste Land der Welt“, sagt der Fifa-Mann

Martin Endemann, Sprecher von „Football Supporters Europe“, nennt es „eine absolute Fehleinschätzung“, gerade nach den Erfahrungen mit der WM in Russland vor vier Jahren: „Wir alle haben geholfen, Russland zu normalisieren. Und wir alle helfen, Katar zu normalisieren.“

Die Fifa, der Weltfußballverband, sieht das naturgemäß anders. „Die Entwicklung, die das Land genommen hat, stimmt uns bei der Fifa positiv“, sagt deren Sicherheitschef Helmut Spahn. „Katar ist das sicherste Land der Welt.“

Für Christian Rudolph hingegen, Leiter der DFB-Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, gibt es in Katar kein Sicherheitsgefühl. Nicht, nachdem der Emir des Landes jüngst bei seinem Staatsbesuch in Deutschland auf die Frage, ob homosexuelle Gäste während der WM zu Hause bleiben müssten, geantwortet hat: „Wir heißen jeden willkommen. Aber wir erwarten auch, dass alle unsere Kultur respektieren.“ Und zur katarischen Kultur gehört es eben auch, dass Homosexualität verboten ist und drastisch sanktioniert werden kann.

Eine echte Willkommenskultur sieht für Christian Rudolph anders aus. Über die Aussage des Emirs sagt er: „Das empfinde ich als Drohung.“

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