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Windschnittig und regenerprobt. Serge Gnabry hat sich auch unter widrigen Bedingungen in Serravalle behauptet.

© imago/MIS

Die Nationalmannschaft und die perfekte WM-Qualifikation: Drei Tore zum Debüt: Serge Gnabry nutzt seine Chance

Hey, es war nur San Marino! Trotzdem darf sich Serge Gnabry von Werder Bremen nach seinem erfolgreichen Debüt für die Nationalmannschaft Hoffnungen auf mehr machen.

Joachim Löw sah ziemlich zerknautscht aus. Er hatte sich die Kapuze seines wattierten Anoraks über den Kopf gezogen und die Bänder fest zusammengeschnürt – und das, obwohl er von einem Plexiglasdach ohnehin vor dem Regen geschützt war. Der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft versuchte erst gar nicht zu verbergen, dass er sich so ziemlich an jedem Ort der Welt lieber aufgehalten hätte als im Stadio Olimpico im dauerverregneten Serravalle. Löw verfolgte den Auftritt seiner Mannschaft, den 8:0 (3:0)-Sieg gegen San Marino, ohne erkennbare Teilnahme, vor allem ohne jeden Anflug von Euphorie.

Dabei hätte es durchaus ein paar Gründe zur Freude gegeben: Mit nun 95 Siegen ist Löw alleiniger Rekordhalter unter Deutschlands Bundestrainern. Zum ersten Mal startete die Nationalmannschaft mit vier Siegen in eine WM-Qualifikation, zudem hat sie noch kein einziges Gegentor kassiert. Auch die lästige Aufgabe am Freitag hat sie mit der nötigen Konzentration von der ersten bis zur letzten Minute erledigt. Aber, hey: Es war nur San Marino! Ein 8:0? „Damit können wir leben“, sagte Linksverteidiger Jonas Hector.

Serge Gnabry schien das ähnlich zu sehen. Nachdem er den Ball in der neunten Minute überlegt zum zwischenzeitlichen 2:0 ins Netz geschlenzt hatte, orientierte er sich in seinem Mienenspiel bis ins Kleinste am zerknautschten Bundestrainer auf der Bank. Der 21-Jährige nahm sein erstes Länderspieltor im ersten Länderspiel einfach mal so hin. Und das änderte sich weder nach seinem Treffer zum 4:0 noch nach dem zum 6:0.

Drei Tore beim Debüt in der Nationalmannschaft – auch das ist eigentlich ein seltener Grund zur Freude. In 108 Jahren deutscher Länderspielgeschichte ist das vor Gnabry insgesamt nur fünf Spielern gelungen, dem letzten vor immerhin 40 Jahren. Aber während Dieter Müller die Nationalmannschaft im Sommer 1976 mit seinen Treffern gegen Jugoslawien ins Finale der Europameisterschaft geschossen hat, war es bei Serge Gnabry eben nur San Marino, die Nummer 201 der Weltrangliste. „Daher sollte man nicht so viel draus machen“, sagte der Offensivspieler von Werder Bremen.

"Absolut ansprechend" findet Bundestrainer Löw den Auftritt Gnabrys

Auch wenn man aus dem Auftritt gegen den ewigen Verlierer des Weltfußballs noch keine allgemeingültigen Aussagen über Gnabrys künftige Karriere ableiten kann: Drei Tore gegen San Marino sind immerhin besser als keins, und Gnabry hätte sogar noch ein paar mehr erzielen können. „Absolut ansprechend“ fand Löw das Debüt des gebürtigen Stuttgarters.

Gnabry war schon früh als außergewöhnliches Talent aufgefallen. Bereits als Teenager wechselte er vom VfB nach London zum FC Arsenal. Er war 17, als er bei Arsenal seinen ersten Profivertrag unterschrieb, in der Premier League debütierte und kurz darauf auch in der Champions League. Danach aber geriet seine Karriere, auch bedingt durch diverse Verletzungen, ins Stocken – und Gnabry weitgehend in Vergessenheit. In der vergangenen Saison bestritt er nur ein Spiel in der Premier League, als er für ein halbes Jahr an West Bromwich ausgeliehen war.

Erst die Olympischen Spiele haben den Offensivspieler in seiner Heimat zurück in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht. In Rio gewann er mit dem deutschen Team Silber, zudem wurde er Torschützenkönig des olympischen Turniers. Danach galt nahezu jeder zweite Bundesligist als möglicher neuer Arbeitgeber, unter anderem Hertha BSC. Gnabry entschied sich schließlich für Werder Bremen, wo er in dieser Saison zu den wenigen positiven Erscheinungen zählt. Mit vier Treffern in neun Spielen ist er nicht nur bester Torschütze Werders, sondern auch der einzige Bremer, der überhaupt häufiger als einmal getroffen hat. „Olympia war für mich ausschlaggebend“, sagt Gnabry. „Zuvor war es schwer.“

In der Bundesliga bekommt er jetzt die Spielpraxis, die ihm in der Premier League verwehrt geblieben ist. „Er hat einen guten Rhythmus“, sagt der Bundestrainer, der ihn für die Länderspiele in San Marino und am Dienstag in Mailand gegen Italien erstmals nominiert hat. Schon im Training habe Gnabry angedeutet, dass er sehr gefährlich und im Abschluss gut sei. Der Bremer ist stark im Dribbling, schnell und mit seinem starken rechten Fuß durchaus torgefährlich. Drei Tore zum Debüt, „das ist natürlich schon auch klasse“, sagte Löw, „egal gegen welchen Gegner.“

Selbst wenn es nur San Marino war: Serge Gnabry erweitert noch einmal die Möglichkeiten, die der Bundestrainer für das linke offensive Mittelfeld besitzt. André Schürrle kann da spielen, Julian Draxler, Julian Brandt und demnächst auch wieder Marco Reus, der bei Borussia Dortmund kurz vor der Rückkehr in den Bundesligakader steht. Es ist noch nicht lange her, da hatte Joachim Löw auf dieser Position die Wahl zwischen Lukas Podolski und Lukas Podolski. Der war – wie jetzt Gnabry – ebenfalls 21 Jahre alt, als er 2006 mit der Nationalmannschaft in San Marino spielte. Podolski hat damals vier Tore erzielt.

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