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Sport: Die nettesten Menschen der Welt

Das berühmteste Mainzer Volkslied, jenes unvergessliche "Humba, Humba, Tätärä", handelt vom Fußball. Aber mit dem typischen Mainzer Understatement: "Und schießt bei uns der Sportverein am Sonntag mal ein Tor, steht alles Kopf in Mainz, denn das kommt selten vor.

Das berühmteste Mainzer Volkslied, jenes unvergessliche "Humba, Humba, Tätärä", handelt vom Fußball. Aber mit dem typischen Mainzer Understatement: "Und schießt bei uns der Sportverein am Sonntag mal ein Tor, steht alles Kopf in Mainz, denn das kommt selten vor." Ha! Selten zwar, aber hin und wieder halt doch!

Diesen Artikel schreibt einer, dessen Großvater vor dem Krieg linker Läufer bei der zweiten Mannschaft von Mainz 05 gewesen ist. Dieser Artikel behandelt die Frage: Wieso musste die große Hertha im kleinen Mainz verlieren, und das auch noch mit elf Berlinern gegen neun Mainzer?

Im Pokalwettbewerb 1964/65 hat Mainz 05 sogar schon mal gegen Werder Bremen gewonnen. In der nächsten Runde kam 1860 München, nach Verlängerung stand es 2:2. Rückspiel in München. Mainz gewann 2:1. Danach fand in der Stadt ein Autokorso statt, der sogar die Fassenacht in den Schatten stellte. Großvater weinte vor Glück. Im Viertelfinale wartete der 1. FC Nürnberg. Das Spiel, an einem Fasnachtsamstag, bei leichtem Schneetreiben, ging 0:3 verloren. Wieder weinte der Großvater, aber diesmal nur ganz kurz. Dann rannte er auf das Spielfeld, weil er die Mainzer Spieler verprügeln wollte, was ihm in Ansätzen wohl auch gelungen ist.

Die größten Mainzer Fußballstars der vergangenen Jahrzehnte hießen lautmalerisch Klinkhammer oder Klopp oder Renner. Das waren keine Künstlernamen. Mainzer Mannschaften rackern bis zum Umfallen, auch aus Angst. Denn in keinem Fußballstadion wird die Heimmannschaft so ausgiebig und unflätig beschimpft, wenn sie mal verloren hat. Kaum ein Publikum in Deutschland kann so begeistert sein und dann wieder so sauer. Denn die lustigen, leichtlebigen Mainzer pflegen tief in ihrer Seele einen verbissenen Ehrgeiz. Nirgendwo verlieren sie gern, aber für einen Mainzer ist jede Niederlage eine existenzielle Katastrophe. Ein Mainzer muß nicht immer gewinnen, da ist er großzügig: 1976 ist Mainz 05 zum Beispiel als erste deutsche Mannschaft freiwillig abgestiegen, in die dritte Liga, mit der nonchalanten Begründung, dass die Spieler in der zweiten Liga zu viel Geld verlangen würden. Freiwillig absteigen ist okay. Aber verlieren? Nein. Deshalb fällt Mainz 05 in der Tabelle immer wieder durch eine besonders hohe Zahl von Unentschieden auf.

Mannschaften, die nicht fighten, gehen in Mainz unter. Wenn du aber erst einmal gegen ihn verloren hast, ist der Mainzer plötzlich der netteste Mensch der Welt.

mrt

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