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Sport: Die neue Lust am Tennis

Thomas Haas ist rechtzeitig zu den Australian Open in guter Form

Äußerliche Veränderungen spiegeln oft die Umwälzungen im Inneren wider. Wenn das stimmt, hat Thomas Haas einen radikalen Wandel vollzogen. Und hoffentlich geht es ihm nicht wie dem biblischen Samson, der mit seinen Haaren auch seine sagenhafte Kraft einbüßte. Haas hat eine wesentlich prosaischere Erklärung dafür, dass er sich von seinem Pferdeschwanz getrennt hat, der viele Jahre lang sein Markenzeichen war. „Er hat mich genervt.“ Ganz so einfach wie ein Gang zum Friseur ist der Neubeginn für den erfahrenen Tennisprofi Haas nicht. Dafür gibt es zu viele alte Zöpfe. Einen Anfang hat Haas bereits zu Beginn dieses Jahres gemacht. Mit dem Schweden Thomas Hogstedt hat er sich – für viele längst überfällig – endlich einen Trainer engagiert, der nicht der Tennisschule seines langjährigen Mentors Nick Bollettieri entstammt, in dessen Akademie in Florida Haas groß geworden ist.

Der ruhige Schwede, ehemals selbst Profi, stand laut Haas schon „auf meiner Liste, bevor er frei wurde“. Da allerdings war Hogstedt noch der Trainer seines Daviscup-Kollegen Nicolas Kiefer. Der wiederum versuchte am Tag vor Beginn der Australian Open etwaige Differenzen zwischen sich und Haas herunterzuspielen: Hogstedt und er hätten sich „wie erwachsene Menschen unterhalten“, berichtete Kiefer, der wie Haas am Dienstag (Ortszeit) sein erstes Match im Melbourne Park bestreitet. Man habe versucht, einen gemeinsamen Nenner zu finden, und das sei nicht gelungen. „Das ist kein Weltuntergang.“ Kiefer hat sich immerhin von der Knöchelverletzung erholt und sollte gegen seinen Freund und Trainingspartner Paradorn Srichaphan fit sein.

Haas glaubt fest daran, dass sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer auszahlen wird. Nach seinem gelungenen Start ins neue Jahr ist die Hoffnung berechtigt. In Doha hat er das Halbfinale erreicht, und beim Einladungsturnier in Kooyong gelang ihm ein Sieg über den Weltranglistenersten Roger Federer. Vor allem dieser Erfolg gibt dem Deutschen Auftrieb, auch wenn es nur ein „Trainingsmatch war“, wie Haas einräumt. Dass er anschließend das Finale gegen Andy Roddick verlor, nahm Haas nicht tragisch. Es hätten nur einige Punkte gefehlt, außerdem lobte der bei den Australian Open an Nummer zwei gesetzte Amerikaner: „Tommy ist in Topform.“

Dass Haas zu den talentiertesten der Branche gehört, ist bekannt, seitdem er 1996 erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier aufgeschlagen hat. Neben Verletzungspech haftete ihm auch oft der Ruf an, aus seinen Fähigkeiten zu wenig zu machen. Dass er zwischenzeitlich einmal die Nummer zwei der Weltrangliste war, ist schon fast wieder vergessen, inzwischen ist er so weit zurückgefallen, dass er nicht mehr zu den 32 Gesetzten gehört. Am Dienstag wird sich gegen den Franzosen Richard Gasquet zeigen, ob das Vertrauen der australischen Wetter gerechtfertigt ist, in deren Gunst er immer noch unter den Top Ten rangiert.

Sein Absturz in der Weltrangliste erklärt sich auch damit, dass er nach den US Open im vorigen Jahr in eine Art Tennis- Depression rutschte. Die Fünfsatzniederlage in New York gegen Robby Ginepri hat ihn sehr geschmerzt, „und ohne Coach war ich unmotiviert und ziemlich platt“. Die Zeit bis zum Jahresende habe er nur so herunter gespielt, einziger Höhepunkt war der Sieg mit dem Daviscup-Team.

Haas wird im April 28 Jahre alt und weiß, dass ihm die Zeit davonläuft. Drei, vier Jahre gibt er sich noch, und die Hoffnung vom großen Titel hat er immer noch nicht aufgegeben. Als kleiner Junge habe er davon geträumt, Trophäen hoch zu halten oder mit dem Daviscup-Team ins Halbfinale zu kommen und dann die Chance zu nutzen. Haas sieht sich auf einem guten Weg. Nach einer Zeit der Lustlosigkeit weiß er wieder, was Siege ihm geben: „Das ist einfach ein geiles Gefühl.“

Alexander Hofmann[Melbourne]

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