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Sport: Die neue Moral

Der Hamburger SV wird zum Klub der guten Laune

Von Karsten Doneck, dpa

Der Weg Richtung Eckfahne war nicht weit, an Kraft mangelte es ihm nach nur zwei Minuten Spielzeit auch nicht. Also rannte Benjamin Lauth los. Und zwar in die Ecke der Schüco-Arena in Bielefeld, wo sich die Fans des Hamburger SV bereits jubelnd in den Armen lagen. Auch Lauths Arbeitskollegen eilten herbei. Unter kritischen Blicken von Schiedsrichter Franz-Xaver Wack freuten sich dann alle zusammen über die frühe 1:0-Führung des HSV bei Arminia Bielefeld, erzielt durch Benjamin Lauth. Die Glückseligkeit im Zeichen der HSV-Raute erreichte ihren Höhepunkt aber erst nach dem Abpfiff. Da hatten die Hamburger im neunten Auswärtsspiel unter ihrem Trainer Thomas Doll zum sechsten Mal drei Punkte gewonnen: 4:3 (3:1) hieß es nach 90 packenden Minuten, der HSV hat inzwischen die Europapokalteilnahme fest im Visier.

3000 Anhänger hatten den HSV begleitet. Die Fans haben abgehakt, dass der HSV unter Dolls Vorgänger Klaus Toppmöller teilweise miserabel spielte. Unter Doll ist beim HSV eine neue Stimmung eingekehrt. Und es kam der Erfolg. In den 17 Bundesligaspielen, für die Doll als Trainer bisher verantwortlich war, gewann der HSV zwölf Mal. „Das wir jetzt ziemlich weit vorne stehen, darf uns nicht blenden“, warnt aber Mittelfeldspieler David Jarolim.

Am 16. Oktober 2004 schien das Konzept des HSV, wieder ein Topteam in Deutschland zu werden, in Schutt und Asche gelegt. 0:2 hatten die Norddeutschen ein Heimspiel verloren, in dem drei Punkte fest eingeplant waren. Trainer Klaus Toppmöller wurde danach entlassen, Doll kam. Der Gegner hieß – Arminia Bielefeld. Zwischen Hin- und Rückspiel liegen Welten. Toppmöller lebte Fußball so sehr, dass er nach Enttäuschungen in seiner Wut einzelne Profis in der Öffentlichkeit anprangerte. Thomas Doll kritisiert auch hart, aber stets intern. Und er hat als junger Trainer den richtigen Draht zu den Spielern gefunden, selbst die Ersatzleute hält er bei Laune.

Dass unter Doll das Betriebsklima besser kaum sein könnte, zeigt sich auch an Torwart Martin Pieckenhagen. Als der nach dem Spiel bei Hertha BSC im Berliner Olympiastadion (1:4) erfuhr, dass er als Nummer eins abgelöst wird, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als am trainingsfreien Montag zum Telefonhörer zu greifen und seinem Nachfolger Stefan Wächter viel Glück zu wünschen. Es sind auch solche kleinen Gesten, die den Hamburger SV derzeit so stark machen. Thomas Doll sagte nach dem Sieg in Bielefeld: „Es zeichnet sich doch seit Wochen schon ab, dass meine Spieler, wenn’s sein muss, eine Riesenmoral zeigen.“

Mit dieser Moral schaffte es der HSV, bei der Arminia einen 1:2-Rückstand noch vor der Pause innerhalb von sechs Minuten in eine 3:2-Führung umzuwandeln. Diese Mannschaft gibt sich nicht auf. Und in dem Block in der Bielefelder Schüco-Arena, in dem der HSV-Anhang lauthals singend verkündete: „Deutscher Meister wird nur der HSV“, wurde jedes Tor ausgiebig gefeiert. Da mochte Schiedsrichter Franz-Xaver Wack noch so grimmig schauen.

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