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Sport: Die öffentliche Demütigung

Nach dem 0:3 gegen Deutschland wird Kameruns Trainer Winfried Schäfer entlassen – aber nicht darüber informiert

Kurz vor der Abfahrt aus dem Zentralstadion verlor Winfried Schäfer auch noch seinen letzten wichtigen Fürsprecher. Nachdem die Nationalspieler allesamt wortlos in den Bus gestiegen waren, äußerte sich zumindest Roger Milla zu den unerfreulichen Ereignissen innerhalb der Mannschaft. Das heißt: Zunächst glaubte der Ehrenbotschafter des Kameruner Fußball-Verbandes noch, die Ereignisse weiterhin geheim halten zu können. „Überhaupt nichts“ sei vor dem Spiel passiert, sagte Milla. Allerdings wusste er da noch nicht, dass Winfried Schäfer, der Nationaltrainer, die Gerüchte um einen Streit zwischen Spielern und dem Verband bereits bestätigt hatte: Am Nachmittag hatten die Spieler in ihrem Hotel eine Stunde lang um ihre Prämien gefeilscht und sogar mit einem Boykott des Spiels gegen die deutsche Nationalmannschaft gedroht.

Milla, der wegen seiner Erfolge als Fußballer ein Nationalheld in Kamerun ist, hatte Schäfer noch am Tag zuvor seine Unterstützung zugesichert. Als er dann aber erfuhr, dass der Nationaltrainer bereits öffentlich über den Streit gesprochen hatte, änderte er seine Meinung. „Sein Verhalten macht mich sehr traurig. Der Trainer kann doch nicht einfach etwas sagen, was gar nicht wahr ist“, behauptete Milla. „Wenn er wirklich darüber geredet hat, dann ist er es, der das Problem geschaffen hat. Der Trainer ist dazu da, seine Spieler zu beschützen, und nicht, um sie in Gefahr zu bringen. Sonst ist er nicht mehr der Trainer der Mannschaft.“

Das weitere Vorgehen war damit bereits abgesteckt. Kurz nach Mitternacht, als die Spieler ihre 0:3-Niederlage in einer Diskothek feierten, verkündete Verbandspräsident Mohamed Iya die Entlassung des Nationaltrainers, angeblich auf Geheiß des Sportministers. Schäfer selbst wurde erst anderthalb Stunden später davon in Kenntnis gesetzt – von einem deutschen Journalisten. Noch am Morgen darauf behauptete der 54-Jährige, dass er nicht informiert worden sei: „Mit mir hat niemand geredet. Ich weiß von nichts.“ Sollte das stimmen, wäre es der letzte Akt einer öffentlich betriebenen Demütigung des Trainers aus Deutschland gewesen.

Eigentlich sollte das Länderspiel in Leipzig einen besonderen Platz in der Karriere des Winfried Schäfer einnehmen. Zum ersten Mal seit dem 26. Mai 2000 durfte er wieder in Deutschland seiner Arbeit nachgehen. Schäfer leidet darunter, dass er seit seinem Scheitern bei Tennis Borussia in seiner Heimat keine Lobby mehr besitzt. Das Länderspiel nun sollte den Beweis liefern, dass man ihm in Deutschland Unrecht getan hat. Seine Mannschaft aber hat Schäfers Rehabilitation erfolgreich hintertrieben und alle Vorbehalte gegen ihn nur noch bekräftigt. „Ich habe mich für unseren Auftritt geschämt“, sagte Schäfer.

In der Rückschau sieht es fast so aus, als sei es um die größtmögliche Beschädigung des umstrittenen Nationaltrainers gegangen. Noch am Dienstag hatte er über die organisatorischen Schwierigkeiten und die Disziplinlosigkeit innerhalb des Verbandes geklagt, seine Mannschaft aber explizit von diesem Vorwurf ausgenommen. Am Mittwoch dann wurde Schäfer von den eigenen Spielern gewissermaßen der Lüge überführt. „Wenn man vor einem Länderspiel eine Stunde zusammensitzt und über Prämien redet, arbeitet man gegen den Erfolg“, sagte Schäfer. Dieser Linie blieben die Kameruner auch während des Spiels treu. „Die hatten heute keine Lust“, sagte Bastian Schweinsteiger.

Bei einem Freistoß für die Deutschen stritten Lucien Mettomo und Samuel Eto’o um die richtige Besetzung der Mauer. Ihre Auseinandersetzung gestaltete sich derart heftig, dass Schweinsteiger dachte, „die prügeln sich gleich“. Nach dem 0:1 wiederum rannte Eric Djemba-Djemba über den halben Platz, um den Linienrichter zu beschimpfen. Immerhin: Diesmal beschützte Eto’o seinen Mitspieler, indem er den zu Hilfe geeilten Schiedsrichter wegschubste. Roger Milla beschuldigte den Schiedsrichter später, er habe Kameruns Spieler beschimpft und Eto’o mit den Worten gedroht: „Wir sehen uns noch in der Champions League.“

Winfried Schäfer muss ausgerechnet im Land der Disziplin klar geworden sein, dass seine Idee, afrikanische Leichtigkeit mit deutschem Organisationstalent zu versöhnen, grandios gescheitert ist. „Wir sind ein chaotischer Verband, aber als chaotischer Verband sind wir 1990 ins WM-Viertelfinale gekommen“, sagte Verbandspräsident Iya. „Da muss nicht ein Herr Schäfer kommen und versuchen, uns umzuerziehen.“ Als Schäfer in Leipzig die letzte Pressekonferenz in seiner Funktion als Kameruns Nationaltrainer beendete, sagte er zu den deutschen Journalisten: „Es war sehr angenehm bei euch.“

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