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Sport: Die Pfiffe im Kopf

Vor der Partie gegen Hertha wächst der Druck auf Sebastian Deisler – in Berlin erwarten ihn Buhrufe

Berlin. Es war am späten Dienstagabend, als für Sebastian Deisler ein Stück Normalität zurückkehrte. Der Fußballprofi von Bayern München saß in der Kabine, sein Trikot war dreckig, er schwitzte. Deisler hatte an diesem Abend sein erstes Spiel über 90 Minuten für die Bayern gemacht. Nicht in der Bundesliga, sondern im Städtchen Tremmersdorf gegen die Kreisauswahl der Oberpfalz. Jaja, alles okay bei ihm, hat Bayerns Kotrainer Michael Henke nur gesagt, „ich denke, er sitzt am Samstag auf der Bank“. Dann spielt Bayern München bei Hertha BSC.

Fast zwei Monate ist es nun schon wieder her, dass Deisler sein letztes Spiel für die Bayern gemacht hat. Immer wieder ist etwas dazwischen gekommen, Muskelverhärtungen, mal ein leichter Faserriss, nichts ernstes. Trainer Ottmar Hitzfeld weist aber darauf hin, dass „man vorsichtig sein muss. Wir wollen nicht etwas ankündigen und müssen es nachher wieder zurücknehmen“. Jetzt hat sich nämlich auch Franz Beckenbauer, der Präsident des FC Bayern, zu Wort gemeldet und gesagt, dass „es nicht sein kann, dass Deisler immer verletzt ist, wenn es ernst wird. Der Junge ist topfit, das ist eine Kopfsache bei ihm“.

Kopfsache. Das Stichwort. Der 22-jährige Mittelfeldspieler hat natürlich über das Spiel bei Hertha BSC nachgedacht. In Berlin stand er bis vor einem Jahr unter Vertrag, für neun Millionen Euro wechselte er dann nach München. Wegen seiner schweren Knieverletzung und anschließend immer wieder auftretenden muskulären Problemen kam er dort nur auf sieben Kurzeinsätze. Als er am 4. Februar nach neun Monaten Pause im DFB-Pokal-Spiel gegen den 1. FC Köln sein Comeback feierte, da sahen die Münchner erstmals den wahren Deisler. Als er das Tor zum 8:0 vorbereitet hatte, rannte Deisler los, lächelte und streckte seine Zunge heraus. Er hatte es allen gezeigt, er war zurück. Und nur das zählt für ihn.

Am Samstag werden ihn die Hertha-Fans auspfeifen, das weiß er. In einem Tagesspiegel-Interview hatte er seinen ehemaligen Arbeitgeber in Berlin kritisiert und Hertha vorgeworfen „mich im Stich gelassen zu haben“. Herthas Manager Dieter Hoeneß war danach „sehr enttäuscht“ gewesen. Gestern, da sagte Hoeneß nur: „Ich will mich nicht emotional äußern, das Thema Deisler ist seit 30. Juni 2002 erledigt.“ Für Hertha geht’s gegen die Bayern um die letzte Chance, an der Champions League teilzunehmen. Vergangenen Samstag hat Hertha 0:1 in Bremen verloren und den „ersten von vier Matchbällen vergeben“, sagt Hoeneß. Für das Erreichen der Champions League hat er jetzt die Prämie von 50 000 Euro ausgesetzt.

Der Gedanke an den großen Fußball lenkt ab, doch für die Hertha-Fans bleibt Deisler ein Thema. In den Foren im Internet wird seit Tagen gegen Deisler geschimpft. Am Montag traf sich eine Delegation von bekannten Fanclubs und besprach, wie man Deisler empfangen könne. Mit Pfiffen sicher, mit Transparenten auch. Doch damit rechnet Deisler, „ich werde sicherlich nicht gefeiert. Das ist nun einmal so, wenn man zu Bayern München geht“.

In Berlin wird er auf der Ersatzbank sitzen, das hat Münchens Trainer Hitzfeld bestätigt. „Es wäre gut, wenn er in dieser Saison noch einige Spiel macht.“ Dreimal hat Deisler diese Chance noch, dann ist Saisonende. Ach ja, und auch Karl-Heinz Rummenigge, der Münchner Vorstandsvorsitzende, hat jetzt Deisler empfohlen zu spielen, „ psychologisch ist der Druck jetzt nicht mehr so groß“. An Empfehlungen mangelt es Deisler nicht. An einem gesunden Knie vielleicht schon.

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