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Sport: Die Provinz stürmt

Der ERC Ingolstadt wurde zum Spitzenklub der DEL – weil die NHL pausiert

Oberbayern, Audi, 120000 Einwohner – das ist Ingolstadt. Eine überschaubare Stadt, die einen immer bekannter werdenden Sportverein beherbergt, dessen Manager in dieser Saison oft nervös war, wie er sagt. Denn mit Beschaulichkeit ist es beim ERC Ingolstadt aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) nicht mehr weit her. Stefan Wagner holt tief Luft. Im Hintergrund klingelt gnadenlos des Managers Zweithandy. „Der Rummel“, sagt er, „der Rummel ist mir hier manchmal zu groß.“ Selbst schuld. Denn als sich andeutete, dass in der National Hockey-League (NHL) die Saison nicht beginnen sollte, wurde Wagner als Erster in der DEL aktiv. Er sicherte sich die Unterschrift von Marco Sturm, für den Fall des damals unwahrscheinlichen Falles: Sturm sollte für Ingolstadt spielen, wenn die NHL nicht spielt.

Ernst genommen hat das keiner. Auch Sturm nicht. Der deutsche Nationalspieler und Star der San José Sharks sagte im August: „Ich glaube, dass die NHL spielt.“ Wagner musste sich derweil einiges anhören, wenn er durch die Ingolstädter Fußgängerzone hastete. „Das war nervenbelastend“, erzählt er. „Egal, wo ich den Fuß hingesetzt habe, überall wurde ich gefragt: Kommt Sturm? Kommt er nicht? Kommt er nur für ein paar Spiele?“

Sturm kam nach Ingolstadt, blieb und bleibt bis zum Saisonende. Das Zittern um Sturm hat für Wagner seit der Saisonabsage in der NHL Mitte Februar ein Ende. Dank der NHL-Spieler Sturm und Andy McDonald hatte der Klub bis dahin für Furore in der DEL gesorgt. Hätte das Sturmduo zurück nach Nordamerika gemusst, wer weiß, wo der ERC – derzeit Tabellenvierter – gelandet wäre. Jener Klub, der 2002 aufstieg und in der Vorsaison sensationell bis ins Play-off-Halbfinale kam. Sensationell? Hinter den Erfolgen in der Provinz steckt auch Geld. Dank des im Klub engagierten Media-Markt-Gründers Leopold Stiefel wurde vor anderthalb Jahren eine Arena errichtet. Mit knapp 5000 Zuschauerplätzen ist sie aber eine der kleinsten Hallen der Liga. Für DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke wird in Oberbayern aber „vorbildlich gewirtschaftet“. Da solle niemand über die eher „kompakte“Arena scherzen.

„Kompakt“ ist beim ERC nur noch wenig. Fast 5000 Trikots mit Sturms Namenszug wurden schon verkauft, Stückpreis 79 Euro. Enorm, zumal Sturm laut Wagner „aus alter Verbundenheit bei uns spielt, weil der Marco mich noch aus meiner Landshuter Zeit kennt“. Nur deswegen? Na gut, sagt Wagner, „wir zahlen nicht schlecht“, wenn auch nicht so viel, wie Sturm in Kalifornien verdient. So vernünftig, dass nach Sturm und McDonald im Februar auch noch die Kanadier Jamie Langenbrunner und Aaron Ward zum ERC kamen – wie Sturm Spieler, die in der NHL Saisonverträge über zwei Millionen Dollar haben. Nun geht Ingolstadt am kommenden Freitag als einziger DEL-Klub mit vier NHL-Profis in die Play-offs. Die Bayern zählen wie die Berliner Eisbären, bei denen sie heute am vorletzten Spieltag der Hauptrunde antreten (19.30 Uhr , Sportforum), zu den Meisterschaftsfavoriten. Der Manager – „Moment, mein Handy“ – hört es ungern. Unter Druck setzen lasse sich hier niemand.

Ach ja, der Rummel. Wenn die NHL nächste Saison wieder spielt, gehen die Stars aus Ingolstadt zurück nach Nordamerika. Gut so, dann ist wieder Ruhe in der oberbayerischen Provinz. „Denn machen wir uns nichts vor: Eigentlich gehört ein Marco Sturm nicht nach Ingolstadt“.

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