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Alles Kopfsache.

© dpa

Sport: Die Revanche des kleinen Elefanten

Abby Wambach hat die USA mit ihren Toren gegen Brasilien und Frankreich ins Finale gebracht. Für die 31-Jährige ist die WM die letzte Chance auf einen großen Titel – und auf Wiedergutmachung

Im entscheidenden Augenblick musste Abby Wambach gar nicht viel erzählen, sie hat ihrer Assistentin einfach nur in die Augen geschaut. Der unausgesprochene Befehl lautete: Her mit dem Ball, und zwar genau auf meinen Kopf! Das war gar nicht so einfach, denn die beiden standen knapp 50 Meter auseinander und zwischen ihnen wuselten jede Menge Französinnen herum. Lauren Cheney wusste dennoch, was zu tun war. Also ließ sie den Eckball in den Strafraum segeln, Abby Wambach kam herangestürmt und wuchtete ihn mit der Stirn ins Netz. Zum vorentscheidenden zweiten Tor für die USA, die am Ende 3:1 (1:0) über Frankreich siegten und damit zum dritten Mal das Finale einer Frauenfußball-Weltmeisterschaft erreichten.

Bruno Bini ist später gefragt worden, ob seine Mannschaft nicht besser hätte aufpassen können, Wambachs Kopfballstärke sei doch bekannt. Der französische Trainer hat mit einer Gegenfrage geantwortet: „Was hätten wir denn machen sollen?“ Gegen diese verrückte Amerikanerin, die beste Kopfballspielerin der Welt. Die von sich sagt, sie fühle sich am wohlsten, wenn es hart zugeht und wenn sie von Kopf bis Fuß mit Dreck beschmiert ist.

Abby Wambach sagt, sie habe das mit ihrem befehlsgebenden Blick bei der Toranbahnung gar nicht mitbekommen, „aber Lauren hat es mir in der Kabine erzählt, ich muss sehr grimmig ausgesehen haben“. Es war ein typisches Wambach-Tor, ihr 120. im 157. Länderspiel. Keine Spielerin bei dieser WM ist in der Luft auch nur annähernd so gut wie die 1,81 Meter große Stürmerin von Magic Jack aus Boca Raton. Wenn Abby Wambach zum Kopfball ansetzt, dann scheint sie in der Luft zu stehen, oder sie kommt herangesaust wie ein Geschoss, gern auch mit angewinkelten Knien und ausgefahrenen Ellenbogen. Die deutsche Torfrau Nadine Angerer nennt sie einen „kleinen Elefanten im Strafraum“, die frühere amerikanische Nationalspielerin Brandi Chastain spricht bewundernd von „einer Naturgewalt“. Dazu verfügt sie über ein Timing, wie man es nicht erlernen kann. „Das ist meine Stärke: Ich kann irgendwie vorhersehen, wie und wohin der Ball kommt“, sagt Abby Wambach. „Und ich habe den Mut, meinen Kopf hinzuhalten.“

Genauso hat sie das schon am Sonntag in Dresden gemacht. Als schon alles verloren schien im Viertelfinale gegen Brasilien. Es lief die Nachspielzeit der Verlängerung, die Amerikanerinnen lagen 1:2 hinten, aber Megan Rapinoe schlug noch eine letzte Flanke in den Strafraum. Abby Wambach sprang höher als die Torhüterin, ehrfürchtig bestaunt von vier Verteidigerinnen. Der Ball war drin und ihre Mannschaft wieder im Turnier. Das anschließende Elfmeterschießen gewannen die Amerikanerinnen 5:3, und spätestens seit dieser späten Fügung von Dresden wähnen sie sich auf einer heiligen Mission. Abby Wambach formuliert das so: „Wir wollen das Momentum vom Brasilienspiel nach Frankfurt tragen“, zum Finale gegen Japan.

Abby Wambach ist zögernd in diese WM gestartet. In den ersten beiden Spielen gegen Nordkorea und Kolumbien ging sie leer aus, aber seitdem hat sie in drei Spielen hintereinander getroffen. Sie ist gerade 31 Jahre alt geworden, wahrscheinlich ist das Finale von Frankfurt ihre letzte Chance auf einen großen Titel. Sie war 23, als sie ihr erstes ganz wichtiges Tor schoss. Das war 2003 im Finale der amerikanischen Profiliga WUSA. Abby Wambach war eine kleine Nummer im Team von Washington Freedom, das angeführt wurde vom Weltstar Mia Hamm, und in der Abwehr zusammen gehalten von Steffi Jones, die heute dem Organisationskomitee der WM vorsteht.

Mia Hamm kann sich noch daran erinnern, „dass es ein wahnsinnig heißer Tag war, wir wollten alle nur, dass es irgendwie zu Ende geht“. Schließlich war es Abby Wambach, die ein Einsehen hatte und in der Verlängerung das 2:1 gegen Atlanta Beat schoss. Ein Jahr später triumphierten die US-Amerikanerinnen auch bei den Olympischen Spielen in Athen, im Finale 2:1 über Brasilien, wieder nach Verlängerung, und wieder war es Abby Wambach, die das entscheidende Tor erzielte. Natürlich mit dem Kopf.

Für Mia Hamm war der Olympiasieg der letzte große Augenblick ihrer Karriere, Abby Wambach wartet seitdem auf einen internationalen Titel. Bei der WM 2007 in China triumphierten die Deutschen, bei den Olympischen Spielen in Peking fiel Wambach verletzungsbedingt aus. Deutschland 2011 soll ihr Turnier werden, die Revanche für die WM 2003 in den USA, als die Amerikanerinnen im Halbfinale an den Deutschen scheiterten. „Damals hat uns Deutschland den Pokal gestohlen“, hat Abby Wambach vor ein paar Tagen erzählt. „Jetzt sind wir dran.“

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