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Sport: Die Routine des Siegers

Die Herthaner feiern – und wissen, dass mit dem Ligapokal noch nichts gewonnen ist

Von Richard Leipold

Bochum. Kurz vor dem Schlusspfiff bittet der Stadionsprecher die Zuschauer, bis zur Siegerehrung zu bleiben: „Das geht jetzt ruckzuck, wir bauen nur schnell eine kleine Bühne auf.“ Die Schalker Anhänger verlassen eilig das Bochumer Ruhrstadion, die Getreuen der Berliner Hertha harren noch eine Weile aus; sie sind eine zu kleine Gruppe, um der Zeremonie das gewünschte Flair geben zu können, als es heißt: Bühne frei für den alten und neuen Ligapokalgewinner. Die Berliner Fußballspieler haben zum zweiten Mal nacheinander den unwichtigsten Wettbewerb des deutschen Berufsfußballs gewonnen – wie im Vorjahr dank eines 4:1 über Schalke 04. Erschöpft von den Strapazen des Vorbereitungsprogramms und mit der Routine des erfolgreichen Titelverteidigers steigen die Sieger aufs Podest. Sie haben ihre Emotionen unter Kontrolle: Niemand unter den Spielern gähnt. Das kleine Stadion, während der Partie zu einem Drittel gefüllt, ist fast leer, als der Conferencier der Deutschen Fußball-Liga „den Berliner Kapitän Michael Preetz“ herbeiruft. Preetz ist an diesem Abend gar nicht Herthas Mannschaftsführer, und mitgespielt hat er auch nicht.

Und doch bleibt es ihm vorbehalten, den Pokal entgegenzunehmen. Ein Häuflein aufrechter Haupttribünenbesucher spendet Höflichkeitsapplaus. Mehr als über den gequälten Beifall von dort dürften die Berliner sich über die Worte ihres Trainers gefreut haben. „Ich muss den Spielern ein Lob dafür aussprechen, wie sie mit ihren Kräften hausgehalten haben. In der zweiten Halbzeit haben sie abgebaut, aber wir haben zum Glück schnelle, konterstarke Leute, die ein Spiel entscheiden können“, sagt Huub Stevens.

Der zweimalige Torschütze Marcelinho war die treibende Kraft. Seine Spielfreude veredelte die lästige Pflicht dieses Endspiels mit Elementen aus einem Kürprogramm, das noch in Arbeit ist. Vier Chancen, vier Tore: Diese hundertprozentige Trefferquote überdeckte am Ende auch manche Unsicherheit in der abwehrenden Vierergruppe, in der Arne Friedrich gegen Ebbe Sand eine bessere Figur machte als Josip Simunic gegen Victor Agali. Trotz einigen Schwächen in der zweiten Hälfte zeigte sich Stevens mit dem Abwehrverhalten „noch etwas zufriedener als zuletzt gegen Dortmund". Seine Mannschaft habe sich „taktisch schlau angestellt und weniger Chancen zugelassen". Der Holländer hat an diesem Abend Gutes gesehen und gehört. Die Schalker Fans feierten den früheren Trainer ihrer Mannschaft in der ungezwungenen Atmosphäre eines nicht allzu ernst genommenen Wettstreits wie früher daheim in Gelsenkirchen. Der Zuspruch aus dem gegnerischen Fanblock habe ihn bewegt, sagt Stevens. Ob die Zuneigung sich hält, zeigt sich am dritten Bundesligaspieltag beim ersten offiziellen Arbeitsbesuch des Niederländers in der Arena Auf Schalke.

Noch wohler als Stevens schien sich der Berliner Manager zu fühlen. Dieter Hoeneß kommentierte das Finale, als hätte die DFL ihn beauftragt, einen Werbetext für den Ligapokal zu verfassen. „Herrliche Kombinationen“ habe er gesehen, „zwei engagierte und ehrgeizige Mannschaften“, kurzum „ein sehr schönes Fußballspiel". Hoeneß freut sich nicht allein über das Preisgeld von 1,78 Millionen Euro, das Hertha in diesem Wettbewerb eingespielt hat. „Dafür musst du 100 Freundschaftsspiele machen.“ Der Manager ergötzte sich auch sportlich an diesem Pflichtspielprogramm mit simuliertem Wettkampfcharakter. „Wir haben drei sehr gute Spiele absolviert, gegen Bayern, Dortmund und Schalke. Das ist eine Rückmeldung, die etwas wert ist.“ Testspiele gegen internationale Gegner, wie am Samstag beim Blitzturnier in Genua, lieferten „nur ein Zerrbild“, da der Fitnessstand der Gegner zumeist nicht der gleiche sei. Stevens mag beklagen, dass „einige Spieler platt“ sind – der Manager sieht Hertha „gut vorbereitet". Nicht zuletzt mit Blick auf den schwachen Saisonstart vor einem Jahr zügelt Hoeneß seine Begeisterung jedoch. „In der Bundesliga geht es wieder von vorn los“, sagt er. „Bei Null."

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