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Sport: Die Russinnen kommen

Der Sieg von Maria Scharapowa in Wimbledon zeigt: Die Zukunft des Frauentennis liegt im Osten

Berlin – Der „Sunday Telegraph“ nennt sie jetzt „die Eismaid“, weil sie während der Tennismatches so ernst blickt. Der „Independent on Sunday“ schreibt von der „Supernova“, die „Mail on Sunday“ schwärmt vom „russischen Wundermädchen“ und die „Sunday Times“ entdeckte am Samstag auf dem Centre Court an der Church Road die „Schönheit des Balles“. All das, weil die 17-jährige Maria Scharapowa das Tennisturnier in Wimbledon gewann.

Die englischen Zeitungen begeistern sich darüber, dass sich mit Maria Scharapowa ein neuer Name in die Siegerliste des ehrwürdigen Tennisturniers in SW 19 eingetragen wurde. Das hat das Turnier seit fünf Jahren nicht mehr erlebt. Eine Siegerin, die nicht aus der Familie Williams stammt. 1999 bezwang Lindsay Davenport im Endspiel Steffi Graf, in den letzten beiden Jahren besiegte Serena Williams jeweils ihre Schwester Venus, doch diesmal verhindert die junge Russin beim 6:1, 6:4, dass die US-Amerikanerin ihren Titel erneut verteidigen konnte. Dem Frauentennis kann das nur gut tun.

Ohnehin scheint nun die Zeit der Russinnen anzubrechen. „Unter den Top 100 sind mindestens 50 Spielerinnen, die Owa heißen“, hat Serena Williams festgestellt. Es ist der zweite Erfolg einer Russin in einem Grand-Slam-Turnier überhaupt – und es ist der zweite in Folge. Im Endspiel der French Open in Paris standen sogar zwei Russinnen, Anastasia Myskina hatte Jelena Dementjewa bezwungen.

Scharapowa und Myskina haben mit ihren Erfolgen das Vorurteil widerlegt, dass die Russinnen nicht in die absolute Weltspitze vorstoßen und keine Grand-Slam-Turniere gewinnen können. Allerdings profitieren sie davon, dass die dominierenden Spielerinnen des letzten Jahres, Kim Clijsters und Justin Henin-Hardenne, verletzt sind. Auch Serena Williams reicht noch nicht an die Form der vergangenen Jahre heran. „Ich bin erst bei 20 Prozent“, sagte die 22-Jährige. Im März ist sie nach achtmonatiger Verletzungspause zurückgekehrt.

Maria Scharapowa aber wird auch in Zukunft die Tenniswelt beschäftigen. Die Mischung aus attraktivem Aussehen und sportlichem Erfolg zahlt sich schon jetzt finanziell aus. Seit zwei Jahren besitzt sie einen Model-Vertrag, für ihren Erfolg in Wimbledon erhält sie 883000 Euro Preisgeld. Im Gegensatz zu Anna Kurnikowa, die sich schnell auf Werbung konzentrierte und gegenwärtig nicht mehr Tennis spielt, steht bei ihr die sportliche Karriere im Vordergrund. „Ich konzentriere mich auf den Sport und lasse mich nicht durch andere Aktivitäten ablenken.“ Allerdings lernt sie bereits im Fernstudium Soziologie. „Ich bereite mich eben auf die Zeit vor, wenn ich nicht mehr aktiv bin.“

Diese dürfte in weiter Ferne liegen. Nur einige Minuten nach ihrem bislang größten Erfolg sagte sie: „Ich möchte alle Grand Slams gewinnen und die Nummer eins werden.“ Bis dahin ist noch ein langer Weg, am kommenden Montag wird sie in der Weltrangliste erstmals auf Rang acht notiert werden.

Bis zum Matchball verzog sie im Endspiel fast keine Miene. „Ich war in meiner eigenen kleinen Welt“, sagte Scharapowa. Erst als der Sieg feststand, fiel sie auf die Knie und konnte den Triumph erst gar nicht fassen. „Alles, was mir in meinem Leben passiert ist, die harten und die guten Momente gingen mir durch den Kopf“, sagte sie später. Zu den harten Momenten zählt sicherlich die Zeit, als sie mit sieben Jahren in das Tenniscamp von Nick Bollettieri in Florida zog. Ihr Mutter kam aufgrund von Schwierigkeiten mit ihrem Visum erst zwei Jahre später aus Russland nach, ihr Vater suchte unterdessen in den USA Arbeit. „Das war eine verdammt harte Zeit“, sagt Scharapowa, „aber ich habe nicht geweint.“ Nach zehn Jahren in den USA sind ihre russischen Wurzeln nur noch schwer zu erkennen. Im „Media Guide“ hat sie immerhin angegeben, dass sie russische Musik und russisches Essen mag.

Maria Scharapowa geht trotz ihres jungen Alters bereits professionell mit den Medien um. Bei den German Open in Berlin eröffnete sie die Pressekonferenz nach einem Match mit den Worten: „Als Erstes möchte ich gerne ein Statement abgeben.“ Fragen nach ihrem Privatleben blockt sie rigoros ab. „Darüber will ich nicht reden.“

Die Eltern sind ihre wichtigsten Bezugspersonen. Vater Juri fiel sie nach dem Matchball erleichtert um den Hals, dann lieh sie sich sein Handy aus, um auf dem Wimbledon-Rasen ihre Mutter Jelena anzurufen. Doch sie konnte sie nicht erreichen. „Ich kann kein Signal bekommen“, plapperte sie beim Interview auf dem Centre Court. „Die Technik, wissen Sie.“ Dann kicherte sie.

Maria Scharapowa mag vielleicht eine Wimbledonsiegerin sein, doch das ändert auch nichts daran, dass sie erst 17 Jahre alt ist. Ein Teenager. Man vergisst das manchmal.

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