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Sport: Die Schwangerschaftsvertretung

Kelli White ist zurzeit die schnellste Frau der Welt – am Sonntag startet sie beim Istaf

Berlin. Gegen Marion Jones hat sie bisher immer verloren. Doch in der Babypause der 100-m-Olympiasiegerin ist Kelli White ins Blickfeld gelaufen. Die 26-jährige Sprinterin aus Kalifornien gewann bei den US-Meisterschaften über 100 und 200 Meter und rannte dabei über die kürzere Distanz mit 10,93 Sekunden eine persönliche Bestzeit, die zugleich auch Jahresweltbestzeit bedeutete. Kelli White ist zurzeit die schnellste Frau der Welt, sozusagen die Schwangerschaftsvertretung der großen Marion Jones.

Vor zwei Jahren tauchte die Freundin des Saarbrücker Speerwerfers Boris Henry in der Weltklasse auf – bei den Weltmeisterschaften in Edmonton gewann sie über 200 Meter Bronze. Außerdem gehörte sie damals zum US-Sprintquartett, das über 4x100 Meter Gold gewann. Nachdem sie im vergangenen Jahr eine Fußverletzung gestoppt hatte, läuft sie nun so schnell wie nie zuvor. Dennoch schaffte sie es nicht, in das Rennen um den Golden-League-Jackpot einzugreifen. Sechs Siege bei den sechs Golden-League-Meetings sind nötig, um am Jackpot von einer Million Dollar zu partizipieren.

Das Berliner Istaf ist am Sonntag im Jahn-Sportpark die vierte Station dieser Serie – und noch ist über 100 Meter Chandra Sturrup im Rennen. Beim Golden-League-Auftakt in Oslo war die Frau von den Bahamas eine Hundertstelsekunde vor Kelli White im Ziel. Danach gewann sie auch in Paris und Rom. Doch keines dieser 100-Meter-Rennen war so stark besetzt wie das am Sonntag in Berlin. Im Jahn-Stadion wird es nicht nur einen Zweikampf zwischen Sturrup und White geben, sondern eine echte WM-Generalprobe. Knapp zwei Wochen vor Beginn der Titelkämpfe in Paris wird die Titelverteidigerin Zhanna Block (Ukraine) zum ersten Mal in diesem Jahr bei einem Golden-League-Rennen starten. Zudem läuft auch die zweimalige Olympiasiegerin Gail Devers (USA/1992 und 1996). Wer am Sonntag in Berlin gewinnt, rückt in eine Favoritenposition für Paris.

Die WM ist eine nationale Aufgabe. Kelli White soll in Paris die Sprint-Goldmedaille, die Marion Jones 2001 in Edmonton gegen Zhanna Block verlor, wieder zurück in die USA holen. Kelli White weiß, wie hoch die Erwartung bei der WM sein wird. „Der Druck ist groß, viele schauen auf mich. Und eigentlich bin ich eher eine schüchterne Person. Es wird hart, aber für mich ist es toll, so gut laufen zu können, nachdem ich im vergangenen Jahr verletzt war.“ Dabei ist die 100-Meter-Distanz keineswegs ihre Lieblingsstrecke, „die 200 Meter machen mir definitiv viel mehr Spaß“, sagt Kelli White. „Es ist immer noch so, dass ich erst lerne, die 100 Meter richtig zu laufen. Allerdings habe ich mich beim Start und im letzten Teil des Rennens schon deutlich verbessert.“

In ihrer Entwicklung gibt es übrigens eine Parallele zu Marion Jones. Diese kam vom Basketball zurück zur Leichtathletik, für Kelli White war früher Volleyball der Sport Nummer eins. Bei der Entscheidung für die Leichtathletik mag die Familientradition eine Rolle gespielt haben. Vater Willie war 1960 Sechster bei den US-Olympiaausscheidungen über 100 Meter. Er hatte eine Bestzeit von 10,3 Sekunden. Und ihre Mutter Debbie lief 1972 bei den Olympischen Spielen von München für die jamaikanische 4x100-Meter- Staffel, damals noch unter ihrem Mädchennamen Byfield.

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