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Sport: Die schwimmende Botschaft

Ian Thorpe kommt zum Weltcup nach Berlin, wo er für seine Trainerin gewinnen muss

Von Frank Bachner

Berlin. Tracey Menzies ist keine dieser exaltierten Frauen. Sie bleibt gern unauffällig, außerdem haben 30-jährige australische High-School-Kunstlehrerinnen normalerweise sowieso kein großes Podium. Tracey Menzies drängte sich auch in Stockholm nicht in die erste Reihe. Musste sie auch nicht. Sie sah im Schwimm-Zentrum von Stockholm trotzdem sehr gut, wie Ian Thorpe, der australische Superstar der Schwimm-Szene, am Mittwoch beim jüngsten Kurzbahn-Weltcup 3:34,63 Minuten über 400 m Freistil schwamm. Damit verpasste er den Weltrekord nur um fünf Hundertstelsekunden, und so eine Zeit ist ungemein wichtig für Tracey Menzies. Denn die 30-Jährige kann sich nicht wirklich verstecken, sie steht unter Beobachtung. Tracey Menzies, die ausgebildete Kunstlehrerin, ist seit September 2002 Thorpes Trainerin.

In Australien ist das immer noch ein Riesenthema. „Jeder fragt sich, ob sie dieser Aufgabe gewachsen ist“, sagt Nicole Jeffreys, Schwimm-Expertin der Zeitung „The Australian“. Denn Thrope ist jetzt schon eine Legende, dreifacher Olympiasieger, sechsfacher Weltmeister, der populärste Schwimmer der Welt. Und Tracey Manzies war bis vor kurzem, ja, was eigentlich? Eine Assistentin, mehr nicht. Sie war fünf Jahre die rechte Hand von Doug Frost, dem Trainer, der Ian Thorpe in elf Jahren zum Superstar geformt hat. Aber dann spürte Thorpe, dass er sich lösen musste vom Übervater Frost. Er war inzwischen 19, er benötigte einen Coach, der ihn als Erwachsenen respektierte. Er verpflichtete Menzies. „Sie muss mich nicht motivieren, aber mir gefällt ihr Programm und ihr Blick für meinen Armzug“, sagte Thorpe dem „Australian“. Dass Menzies noch nie alleine einen Top-Schwimmer betreute, war ihm egal. Aber Menzies muss sich jetzt beweisen. Thorpe startet am Wochenende beim Weltcup-Finale in Berlin, und er muss gute Zeiten liefern. Sonst gerät seine Trainerin unter medialen Beschuss. Beim Weltcup in Paris vor einer Woche hatte Ian Thorpe über 50 m Freistil das Finale verpasst, das gab schon böse Kommentare.

Es geht schließlich um Thorpes Marktwert. Der Freistil-Star ist ja inzwischen Teil der australischen Tourismuspolitik. Weil seit dem 11. September 2001 japanische Besucher ausbleiben, hat ihn Australiens Tourismusministerium zum „Urlaubs-Botschafter“ mit Schwerpunkt Japan ernannt. Dort ist Thorpe ein Halbgott, er warb in japanischen Zeitungen und TV-Werbespots für sein Land, traf Japans Premierminister Koizumi zum Essen und lud japanische Kinder zu seinem Training ein. Die Kampagne kostete 800 000 Dollar, und weil Thorpe keinen Cent für sich forderte, verfestigte sich in Australien das Bild vom netten Superstar. „Allerdings tritt er jetzt öffentlich etwas selbstbewusster auf als früher“ sagt Nicole Jeffreys. Doch Thorpe musste immer noch Skrupel überwinden, um seine erste TV-Sendung zu moderieren. In einer „feel-good reality show“ interviewt er, imagegetreu, drei junge Promis, nachdem die in Pfadfindermanier ausgeschwärmt waren, um etwa entlaufene Hunde zu suchen. Und weil Thorpe so nett ist, haben Millionen Fans auch mit einigem Abscheu die Aktionen von Taylor Martin und Vernon Hopkins registriert. Das Ehepaar hatte Thorpe regelrecht verfolgt und ihn mit schwülstigen Briefen zum Essen eingeladen. Der verängstigte Schwimmer alarmierte die Polizei, und ein Gericht verbot dem Ehepaar, sich dem Star weniger als 20 Meter zu nähern.

In Berlin freilich ist Thorpe sicher. Abwimmeln muss er dort notfalls nur Fotografen. Vor allem, wenn sie aus Japan sind.

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