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Sport: Die Sprache Rudi Völlers

Mikael Forssell ist ein Freund des deutschen Fußballs – gegen Hertha macht der finnische Stürmer heute sein erstes Heimspiel für Mönchengladbach

Mönchengladbach. Man kann nicht sagen, dass Mikael Forssell bei seinem neuen Arbeitgeber eine ausgedehnte Eingewöhnungsphase gewährt wurde. Drei Tage war der Finne in Deutschland, als er den ersten offiziellen Termin zu absolvieren hatte: die Karnevalssitzung von Borussia Mönchengladbach. Die Leute haben ihn vorher gewarnt: „Alle haben gesagt: Ich muss denken, dass ganz Deutschland verrückt ist.“ Hinterher fand er die Angelegenheit „sehr lustig“.

Forssell wird sich auch deshalb keine lange Eingewöhnungsphase in Deutschland leisten können, weil sein Engagement bei Borussia Mönchengladbach auf gut drei Monate beschränkt ist. Für 500 000 Euro hat Gladbach den finnischen Nationalspieler vom FC Chelsea ausgeliehen – ohne Anschlussvertrag oder Kaufoption. Am Ende der Saison kehrt Forssell in die Premier League zurück. Sein Vertrag läuft bis 2005. „Ich muss diesen Vertrag erfüllen“, sagt er..

Natürlich ist es möglich, dass es anders kommt: dass Chelsea zu der Erkenntnis gelangt, Forssell nicht mehr unbedingt zu brauchen – weil der Klub zuletzt auch ganz gut ohne ihn ausgekommen ist. Am 1. April hat sich der Finne am Knie verletzt, seitdem hat er kein Spiel mehr für seinen Klub bestritten. Aber selbst wenn Chelsea Forssell nicht mehr will, zählt Borussia Mönchengladbach vermutlich nicht zu den Vereinen, die sich seine Dienste leisten können.

Trotzdem werden solche Gedanken rund um den Bökelberg inzwischen heimlich gehegt, und das hat etwas mit Forssells erstem Bundesligaspiel zu tun. In der vergangenen Woche in Kaiserslautern umkurvte er drei Gegenspieler und schoss dem Torhüter den Ball präzise durch die Beine ins Tor. Es wäre das 1:0 gewesen, aber der Treffer zählte nicht. Dennoch gründen die Hoffnungen der Borussen, dem Abstieg aus der Bundesliga zu entgehen, jetzt zu großen Teilen auf einem 21 Jahre alten Finnen.

Einen Spieler seiner Güteklasse hatten die Gladbacher seit Dahlin, Andersson und Effenberg nicht mehr. Forssell hat schon mit 16 Jahren in der ersten finnischen Liga gespielt, mit 17 für Chelsea in der Premier League debütiert und als 18-Jähriger sein erstes Länderspiel bestritten. Im Juni 2001 schoss Forssell beim 2:2 im WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland beide Tore für die Finnen. Sein neuer Trainer Hans Meyer sagt über die Verpflichtung des Stürmers, dass man noch sehen werde, „wie gut und fantastisch dieser Schachzug von uns war“. Andererseits kann er „die Euphorie, die mit seinem Namen verbunden ist, nicht nachvollziehen“.

Forssell sagt selbst, dass er noch ein paar Wochen brauche, bis er richtig fit ist, und er weiß auch, „dass die Erwartungen hoch sind“. Ein wenig erinnert die Situation an den Herbst 1989, als Gladbach zum ersten Mal in Abstiegsgefahr geriet. Mit einigem Bohei verpflichtete der Klub damals Igor Belanow, drei Jahre zuvor noch Europas Fußballer des Jahres. Das Ganze war ein großes Missverständnis: Der alternde Belanow hatte seine beste Zeit bereits hinter sich, schoss ganze vier Tore und wechselte dann zu Eintracht Braunschweig. Den Verlockungen des Westens war der Mann aus der Sowjetunion nicht gewachsen, seine Frau wurde in einem Kaufhaus sogar beim Diebstahl erwischt.

Forssell, der heute gegen Hertha BSC erstmals auf dem Bökelberg spielt, wird diese Schwierigkeiten nicht haben. Er hat sein erstes Lebensjahr in Steinfurt in der Nähe von Münster verbracht. Sein Vater arbeitete dort bei einer Papierfabrik. Als Deutschland 1990 Weltmeister wurde, „habe ich vor dem Fernseher Freudensprünge gemacht“. Völler, Matthäus und Klinsmann „waren meine Helden“. Mit 16 dann wechselte er in Finnland zur deutschen Schule, obwohl er anfangs „fast gar nichts verstanden“ hat. Aber er wollte die Sprache Rudi Völlers lernen, um selbst in der Bundesliga spielen zu können.

Bei Bayer Leverkusen durfte er dreimal zur Probe mittrainieren. Statt Leverkusen ist es jetzt Mönchengladbach, „ein sehr legendärer Klub“, wie Forssell sagt, aber auch einer mit zurzeit bescheidenem Erfolg. Trotzdem versteht Forssell nicht, dass die Leute von Abstiegsgefahr reden. „Wir stehen nur jetzt unterm Strich“, sagt er. „Es gibt noch viele Spiele.“

Und es gibt jetzt Mikael Forssell.

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