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Sport: Die Stammplätze werden neu besetzt

Berlins Sechstagerennen hat seinen Charakter verändert und ist wieder mehr Sport-VeranstaltungVON THOMAS ZELLMER BERLIN.Den Kalender zwölf Monate zurückgeblättert.

Berlins Sechstagerennen hat seinen Charakter verändert und ist wieder mehr Sport-VeranstaltungVON THOMAS ZELLMER BERLIN.Den Kalender zwölf Monate zurückgeblättert.Zur gleichen Zeit des Vorjahres wurde bei der Reanimation des Berliner Sechstagerennens nach alten Erinnerungen geschnuppert, Freude (auch für viele Leser) an ein bißchen Nostalgie.In einer vierteiligen Serie hatten wir über das Mythos dieser Veranstaltung berichtet, kuriose und auch traurige Geschichten erzählt aus Zeiten, zu denen das Berliner Sechstagerennen in der Messehalle unter dem Funkturm, im Sportpalast und in der Deutschlandhalle ein gesellschaftliches Ereignis gewesen war.Dies galt auch für die Winterbahnrennen in der alten Werner-Seelenbinder-Halle.Nun heißt es heute abend um 21 Uhr beim Startschuß zum 87.Berliner Rennen "Velodrom zum zweiten".Geadelt wurde die mit 250 Metern extrem lange Rennbahn aus sibirischer Fichte vom Weltverband UCI mit dem Status "Olympiabahn", doch das Fluidum ihrer Vorgänger kann die im Vorjahr auf die allerletzte Minute mit "heißer Maurerkelle" fertiggestellte Arena in Prenzlauer Berg notgedrungen noch nicht aufweisen. Die Geschichten und "Geschichtchen" werden sich erst dann auftun, wenn das vom französischen Architekten Dominique Perrault (futuristisch und etwas betonlastig) konzipierte Velodrom Patina ansetzt, und dazu braucht es mehr, als das Verstreichen eines Jahres.Zur Premiere im Vorjahr war der augenfälligste Eindruck, daß in der neuen Heimstätte dieser Traditionsveranstaltung die sportliche Ernsthaftigkeit bei der durchaus umstrittenen Melange Sechstagerennen und Lustigsein wieder in den Vordergrund rückte.Ungewohnt: Nur kurzes Verweilen eines Großteils der Fans am Biertisch oder Würstchenstand in den Wandelgängen, so wenig wie möglich wollte man vom Rennen verpassen.Der Charakter des Berliner Sechstagerennens hat sich verändert - es gehört wieder mehr auf die Sport- als auf die Lokalseiten einer Zeitung. Im Vorjahr gewann der Geraer Olaf Ludwig zum Ende seiner Karriere das Sechstagerennen an der Seite von Jens Veggerby; der Däne hatte im Verlauf des Rundherum den verletzten Etienne de Wilde (Belgien) als Ludwig-Partner ersetzt.Daß Otto Ziege, früheres Berliner Sechstage-Idol und erneut Sportlicher Leiter im Velodrom, "dem Olaf" gut zuredete, noch "zwei, drei Jahre weiterzumachen und gutes Geld zu verdienen", hatte keinen Einfluß auf Ludwigs Entscheidung.Diesmal fehlt ein "logischer Favorit" wie es 1997 Ludwig war, wenn erneut 36mal zwei Radlerbeine in die Pedale treten.Als Favoriten gelten die Italiener Martinello/Villa, die Dänen Veggerby/Madsen, die Schweizer Risi/Betschart und der Kölner Andreas Kappes an der Seite des ihm wesensverwandten Italieners Adriano Baffi. Es tut weh, aber es sollte erwähnt werden.Erstmals seit mehr als Jahrzehnten wird heute abend beim Startschuß Berliner Sechstagerennen ein Mann fehlen, der sich wie kein anderer in diesem Metier auskannte: Hans Bähnemann, Lesern des "Tagesspiegels" als Mitarbeiter gut bekannt.Wie hat er sich im Vorjahr gefreut, als er maßgeblich an der Serie über die "goldenen Zeiten" beteiligt war.Über den Wiederhall, den er nicht nur beim Luxemburger "Lull" Gillen, dem Gentleman-Fahrer mit verblüffendem Pianospiel im Sportpalast, gefunden hatte.Viele werden den im September 1997 im Alter von 67 Jahren verstorbenen Hans Bähnemann besonders heute vermissen.

THOMAS ZELLMER

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