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© DAVIDS/Passig

Die Stars von gestern: Glorreiche Zeiten

Ehemalige deutsche Leichtathletikstars treffen sich, um von früher zu schwärmen. Und um ihre Nachfolger zu kritisieren.

Die goldenen Zeiten der Leichtathletik sind ganz nah, sie haben sich nur ein paar Räume neben ihrer Gegenwart eingefunden. Im Hotel Estrel, dem Athletendorf dieser Weltmeisterschaften, feiern ehemalige Olympiasieger und Weltmeister der deutschen Leichtathletik ein Wiedersehen, sechzig erfolgreiche Athleten sind gekommen. Einige erzählen auf der Bühne von glorreichen Zeiten, und Dieter Baumann, 5000-Meter-Olympiasieger von 1992, erzeugt spontan ein Wir-Gefühl mit seinem Ausruf: „Wir sind doch alle Leistungsheinis, wir finden es ganz geil, uns zu messen.“

Damit haben sie schon morgens angefangen bei einem Golfturnier und abends geht es weiter mit dem Erzählen, wie schön die Leichtathletik früher war und was ihr heute alles fehlt. Sportliche Erfolge waren wohl auch die Voraussetzung, um überhaupt einladen zu können zu diesem Treffen. Denn organisiert haben dieses „Wiedersehen der Legenden“ Christian Schenk, Zehnkampf-Olympiasieger von 1988, und Klaus Wolfermann, Speerwurf-Olympiasieger von 1972. Sie rahmen auf der Bühne einige Gesprächsrunden mit anderen Helden von einst ein. Jürgen Hingsen, ehemaliger Weltrekordhalter im Zehnkampf, erzählt noch einmal von seinem Zweikampf mit dem Briten Daley Thompson. „Der hatte schon ein paar Tricks drauf. Einmal hat er sich bei den Kampfrichtern darüber beschwert, dass ich mich beim Hochsprung mit meinem Trainer ausgetauscht habe, es gab damals Coaching- Verbot“, sagt Hingsen, „und manchmal hat er nach einem starken Wurf von ihm auf einen gezeigt als wollte er sagen: Der war für Dich.“

Von einer Höchstleistung nach der nächsten können sie erzählen, die früheren Sprinterinnen Marlies Göhr und Marita Koch, Hochspringerin Ulrike Meyfarth oder Siebenkämpferin Sabine Braun. Auf eines verständigen sie sich schnell, und der frühere Sprint-Weltrekordhalter und Europameister Heinz Fütterer gibt dabei den Ton vor: „Wir haben damals keinen Wettkampf aus den Augen verloren. Aber wenn ich heute weiß, dass die deutschen Sprinter zehn Tage am Stück in Kienbaum trainieren und keinen Wettkampf bestreiten, muss ich sagen: So kann man kein Rennen gewinnen.“ Der Saal applaudiert, auch als Manfred Germar, unter anderem Europameister 1958 über 200 Meter erklärt: „Wenn die deutschen Läufer heute Farbige sehen, dann bleiben sie einfach stehen.“

In ihrer Analyse sind sie sich einig, egal aus welchem Jahrzehnt oder aus welchem Teil Deutschlands, auch Olympiasiegerin Marlies Göhr, obwohl sie nicht in den fünfziger Jahren wie Fütterer und Germar für die Bundesrepublik startete, sondern in den siebziger und achtziger Jahren für die DDR: „Ich war nie ein Trainingstyp, ich habe den Wettkampf gebraucht, um mich zu steigern.“ Sie blieb 1977 als erste Frau über 100 Meter unter elf Sekunden, sie brauchte 10,88 Sekunden. Am Ende des Abends schaut dann noch Armin Hary vorbei, der als Erster die 100 Meter in handgestoppten 10,0 Sekunden lief. Seine Ansprache wird melancholisch: „Leider Gottes ist der Sport nicht der, der er einmal war. Ich kann mich nicht mehr so freuen, wenn ich erst 14 Tage auf die B-Probe warten muss.“

Ihre Erinnerungen wollen sie weiter pflegen, die ehemaligen Sieger. „Wenn sich Sportler treffen, dann ist das immer eine ganz besondere Gemeinschaft“, sagt Wolfermann. Sie wollen sich auf jeden Fall wiedersehen, dafür wäre ihnen auch weniger als eine Weltmeisterschaft gut genug. Friedhard Teuffel

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