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Sport: Die Stimmung kippt

Patrik Kühnen könnte seinen Job als Kapitän des deutschen Davis-Cup-Teams bald los sein.

Berlin - Wenn sich dieser Tage eine Gruppe deutscher Tennisspieler bei einem Turnier gemeinsam an einen Tisch setzt, dann hat das gleich den Anschein einer konspirativen Versammlung. Denn dass sie sonst nicht unbedingt viel Zeit zusammen verbringen, ist bekannt. Und so sprachen die fünf Spieler, die sich im Vorfeld des Masters von Paris-Bercy trafen, auch nicht über ihre Urlaubsziele. Sie diskutierten über den Kapitän des deutschen Davis-Cup-Teams, Patrik Kühnen, dessen Vertrag mit dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) noch immer nicht verlängert wurde, und es vielleicht auch nicht mehr wird.

Zwei Vertreter des DTB hatten in den vergangenen Wochen einen Großteil der deutschen Profis telefonisch kontaktiert, um deren Meinung über Kühnen vorzufühlen. Und offenbar zeichnete sich dabei ein Bild ab, das auch die verbandsinterne Meinung widerspiegelt: Die Stimmung kippt gegen Kühnen. Das Treffen in Paris, an dem Philipp Kohlschreiber, Florian Mayer, Christopher Kas, Benjamin Becker und Michael Berrer teilnahmen, wirkte nun wie der Auftakt zu einer kleinen Spielerrevolte, um den Teamchef zu stürzen. Doch dazu kam es nicht, denn wie so oft waren sich die Profis nicht einig. Dass Kohlschreiber nach seinem jüngsten Rauswurf aus dem Team keine Lobeshymnen auf Kühnen singt, dürfte kaum überraschen. Doch es gibt auch neutrale Stimmen und Spieler, die lieber keinen Ärger möchten.

Klare Fürsprachen pro Kühnen hört man derzeit kaum. Noch Mitte September, als die deutsche Mannschaft in Hamburg gegen Australien den Abstieg aus der Weltgruppe gerade noch abwendete, schien Kühnens Weiterbeschäftigung im Grunde gesichert. Und er wirkte wie der Sieger im Machtkampf mit Kohlschreiber. Die Vertragsverlängerung sei „nur noch eine Formsache“, hatte DTB-Präsident Karl Georg Altenburg danach verkündet, man sei „in guten Gesprächen“. Diese ziehen sich nun aber schon weit länger hin, als zunächst gedacht.

Die Zeichen mehren sich, dass die Verbandsführung nun doch einsehen muss, dass ein Neuanfang im deutschen Herrentennis unumgänglich ist. 2002 hatte Kühnen den Teamchefposten von Michael Stich übernommen, und nach zehn Jahren Amtszeit steht das Davis-Cup- Halbfinale in Moskau 2007 als größter Erfolg zu Buche. Vor allem aber hat es Kühnen nie geschafft, einen klaren Führungsstil zu entwickeln und die unterschiedlichen Spielercharaktere zu einer Einheit zusammenzuschweißen.

Dabei versäumte er es, auch außerhalb der Davis-Cup-Wochen den teils sensiblen Individualisten genug Aufmerksamkeit zu widmen und auch jene einzubinden, die gerade nicht zum Kader gehörten oder verletzt waren. „Mal ’ne SMS schicken oder mailen wäre schön gewesen“, monierten Spieler immer wieder hinter vorgehaltener Hand. Statt zu einen, spaltete er mehr, indem er sich besonders an jenen Spieler hängte, der gerade wichtig war. Oft war das Thomas Haas, für den Kühnen auch sporadisch als Privattrainer fungierte. So durfte Haas mit seinem Sonderstatus im Februar in Bamberg öffentlich den erkrankt fehlenden Kohlschreiber attackieren, ohne dass Kühnen dazwischenging. Der Eklat von Bamberg brachte den Aufstand gegen den Teamchef endgültig ins Rollen.

Im Frühjahr wurde Kühnen von der Mannschaft unter Führung von Spitzenspieler Mayer beim World Team Cup von der Trainerbank verbannt. Dass sich Carl-Uwe Steeb als DTB-Vizepräsident danach sofort auf die Seite seines Freundes schlug und diesen Vorfall als nicht relevant für die Vertragsverlängerung kommentierte, war ein taktischer Fehler. Intern wuchs der Unmut gegen Kühnen, auch weil er zu selten das klärende Gespräch suchte. So bauschten sich Lappalien schnell zu Staatsaffären auf, die Situation eskalierte in New York, als Kühnen Kohlschreiber vor dessen Achtelfinale bei den US Open aus dem Team warf. Eine Aussprache gab es bisher nicht. Derzeit ist Kühnen im Urlaub und deshalb telefonisch nicht erreichbar. Obwohl der Hauptsponsor des deutschen Teams gerade dem DTB die Zusammenarbeit gekündigt hat, da dem Verband die private Verbindung Kühnens mit dem Unternehmen offenbar ein Dorn im Auge ist. Der DTB weist den Vorwurf jedoch zurück, den Teamchef zum Bruch mit dem Sponsor gedrängt zu haben. Man habe „gemeinsam eine Lösung gefunden“, erklärte Altenburg.

Momentan stehen die Zeichen eher auf Trennung, doch es fehlt auch an Alternativen. Ex-Profi Alexander Waske wäre ein Kandidat, der den Job „irgendwann mal machen“ möchte. Doch mit Waskes privater Tennis-Akademie in Offenbach würde sich mit dem Amt ein Interessenkonflikt ergeben. Die Situation ist zerfahren, das Image des deutschen Herrentennis ist arg ramponiert. Dass sich Kohlschreiber und Mayer in Paris in Runde eins sang- und klanglos verabschiedeten, dürfte ihre Position aber auch nicht gestärkt haben.

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