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Taktikfan. Herthas Trainer Jos Luhukay.

© dpa

Die Taktik von Hertha BSC: Mit ausbalancierter Initiative

Hertha-Trainer Jos Luhukay erklärt die Spielweise, mit der Hertha BSC in der Bundesliga bestehen will. Die Taktik soll nicht mehr so offensiv sein, aber die Berliner wollen dennoch attackieren.

Wer wissen möchte, wie Hertha BSC in der kommenden Saison in der Bundesliga bestehen will, der sollte ein Blatt Papier bereithalten, ein Fußballfeld aufzeichnen und es Jos Luhukay reichen. Und schnell schauen und zuhören, das sollte man auch können. Wenn der Trainer über Taktik reden darf, dann spricht er rasant, der Stift tanzt übers Papier und hinterlässt ein Gewirr aus Linien, Kreuzen und Pfeilen. Gar nicht so einfach, da mitzukommen. Deshalb noch einmal ganz langsam. „Wir wollen weiter initiativ bleiben, aktiv, offensiv und attraktiv spielen“, beschreibt Luhukay die künftige Spielweise des Aufsteigers, „aber mit einer guten Balance aus Defensive und Offensive.“

Luhukay strichelt zwei Linien auf das Rechteck, das ein 100 Meter langes Fußballfeld darstellen soll: 30 Meter vor dem Tor des Gegners beginnt dessen Gefahrenzone. 30 Meter vor dem eigenen Tor markiert die zweite Strichellinie den Bereich, in dem einem selbst Gegentore drohen. Dazwischen liegen 40 Meter, die es in sich haben. Denn Herthas Spiel wird sich in der kommenden Saison dort abspielen, in dieser Mittelfeldzone. „Das ist unser Bereich“, sagt Luhukay. Stürmer, Mittelfeldspieler, Verteidiger, alle halten sich künftig meist in diesem 40 Meter langen Korridor in der Spielfeldmitte auf.

Vorige Saison standen die Berliner weiter vorn, denn die Gegner standen weiter hinten in der Zweiten Liga, selbst wenn sie den Ball hatten. Herthas Viererabwehrkette stand schon mal auf Höhe der Mittellinie, die Stürmer griffen gleich an, versuchten den Verteidigern den Ball abzujagen. Gelang dem Gegner dennoch ein langer Pass, mussten Herthas Abwehrspieler über das halbe Spielfeld zurück zum eigenen Tor hetzen. So riskant können die Berliner nicht mehr agieren. Sich abwartend zwischen Strafraum und Mittellinie zurückziehen wollen sie aber auch nicht.

Die Verteidigung soll etwa 30 Meter vom eigenen Tor entfernt stehen. Anders als Zweitligaklubs ziehen sich die meisten Bundesligisten nicht zurück und wollen selbst den Ball. Den will Hertha ihnen in der Mittelfeldzone abjagen. Dort laufen fünf Berliner gemeinsam zum Ballführenden, einer greift an, die Mitspieler rücken von hinten nach. Pennen Spieler bei Hertha und laufen nicht mit, dann eröffnen sich allerdings Freiräume für den Gegner. Im Testspiel gegen Palermo waren einige Male die Abstände zu groß zwischen einzelnen Spielern und Mannschaftsteilen, durch diese Schnittstellen kamen die Italiener zu guten Torchancen. Deshalb sollen die Spieler geduldig sein und sich nur auf den Ballführenden stürzen, wenn sie Mitspieler von hinten absichern können.

Luhukay teilt den 40-Meter-Bereich sogar noch einmal ein, in eine offensive und defensive Mittelfeldzone. Erobert ein Spieler den Ball weiter vorne, dann gilt die Anweisung: Tiefe vor Breite. Das heißt: Statt zurück oder zur Seite, soll schnell Richtung Tor gepasst werden. „Wenn du hier den Ball eroberst, kann schon ein Pass zum Tor führen“, sagt Luhukay und tippt auf das Papier. „Dafür müssen die Spieler lernen, nach Balleroberung zuerst nach vorne zu schauen.“ Die Mitspieler müssten ebenso den Blick für den freien Weg zum Tor haben und sich als Passempfänger in Position bringen. Und so einen Pass muss man erst einmal spielen können.

Hier ein Pfeil, dort noch einer. Hauptsache Herthas Trainer Jos Luhukay versteht, was er da aufgezeichnet hat.
Hier ein Pfeil, dort noch einer. Hauptsache Herthas Trainer Jos Luhukay versteht, was er da aufgezeichnet hat.

© promo

An der Ballfertigkeit arbeitet Luhukay oft. Gelingt einmal kein Schnellangriff, sollen sich seine Spieler den Ball sicher und sauber zupassen. Das ist wichtig, um den Ball nicht zu verlieren, wenn der Gegner Druck erzeugt. „Wir dürfen kein eigenes Risiko eingehen, gerade in der 40-Meter-Zone müssen sich meine Spieler mit zwei Ballkontakten befreien können“, sagt Luhukay. Das lässt er im Training oft üben, steckt 40 Meter lange Kleinfelder ab und ruft „Nur zwei Kontakte!“ oder „Klatsch! Klatsch!“. Denn das schult nicht nur die Technik, sondern auch das vorausschauende Spiel. „Beim ersten Kontakt muss die Annahme des Balles stimmen, beim zweiten Kontakt muss ich schon den Blick für den Stürmer haben.“

Eine Stärke des Hertha-Spiels waren die Standards. Kein anderer Zweitligist traf so oft Tore nach Ecken oder Freistößen. Diese Situationen werden seltener werden, weil Hertha wohl nicht mehr so oft vor des Gegners Tor gefoult werden wird. „Deshalb sind sie noch wichtiger, ein Freistoß oder eine Ecke kann zu drei Punkten führen“, sagt Luhukay. Er hat alle Tore, die in der Vorbereitung aus Standards entstanden, zusammenschneiden lassen und der Mannschaft auf Video gezeigt.

Der Zettel ist nun voller Striche und Kringel, der Kopf des Zuhörers brummt. Klingt alles ganz gut, aber ob es auch klappt? Luhukay legt den Stift hin, lehnt sich zurück und lächelt. „Wir haben es uns zumindest vorgenommen.“

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