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Traurige Erinnerung. Die Spieler von Hannover 96 tragen Robert Enkes Sarg. Foto: dpa

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Sport: Die Tragödie hinter sich lassen

Hannover 96 vor Robert Enkes Todestag

Von Christian Otto

Wie so oft blieb es am Kapitän hängen. Steven Cherundolo tritt schließlich immer so stark und beherrscht auf, wenn er über Robert Enke spricht. Über die Trauer und über den zu befürchtenden Trubel. Beides wird dieser Jahrestag des Selbstmordes ihres früheren Kollegen auslösen. „Unsere aktuelle Mannschaft hat mit dem Todestag eigentlich nichts zu tun“, findet Cherundolo. Auch deshalb haben die Profis von Hannover 96 beschlossen, zu einem traurigen Thema zu schweigen, das sich ein Jahr lang wie ein düsterer Schatten über ihren Alltag gelegt hatte.

Sie möchten aus ihrem heutigen Heimspiel gegen den Tabellenführer Borussia Dortmund (15.30 Uhr, live bei Sky) wenn möglich eine ganz normale Bundesligapartie machen. Drei Tage vor jener Gedenkfeier, zu der Theo Zwanziger in das kleine Örtchen Empede bei Hannover anreist, um als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einen Kranz an Enkes Grab niederzulegen, bemühen sich die Verantwortlichen um eine Trennung der Dinge. „Wer hier bei uns am Stadion trauern möchte, der wird einen Platz finden. Aber wir wollen die Dinge aus dem Vorjahr nicht wieder aufwühlen“, sagt Vereinssprecher Andreas Kuhnt. Wie gut es gelingt, die Trauer und das Sportliche auseinanderzuhalten, darüber werden wohl vor allem die 49 000 Zuschauer in der seit Wochen ausverkauften Arena in Hannover entscheiden. Der harte Kern der Fans will am Mittwoch an einem Trauermarsch in Hannover teilnehmen. Das Duell mit der Borussia heute soll aber offenbar ohne öffentliches Gedenken ablaufen.

Wie man sich trotz der traurigen Erinnerung an den von Depressionen geplagten Nationalspieler auf das Wesentliche konzentriert, möchte auch Hannovers Trainer Mirko Slomka demonstrieren. „Ich will das Thema nicht anfassen, und die Spieler haben dazu alles gesagt. Wir sind in einer neuen sportlichen Gegenwart“, sagt Slomka, der mit Hannover 96 den besten Bundesliga-Saisonstart der Vereinsgeschichte hingelegt hat. Unter Slomka hat die Mannschaft, als sie nach Enkes Selbstmord dem Abstieg entgegengetaumelt war, erst das Siegen und dann auch das Lachen wiedergelernt. „Roberts Todestag wird den einen oder anderen Spieler in Gedanken zurückbringen“, befürchtet Slomka. Er selbst setzt alles daran, dass die nötige Konzentration auf das schwere Spiel nicht verloren geht.

Die Trauer um Enke, der sich am 10. November 2009 selbst tötete, birgt einen großen Zwiespalt. Das Bedürfnis der Medien und Fans, sich an einem außergewöhnlich guten, aber auch außergewöhnlich verzweifelten Fußballer zu erinnern, ist stets mit dem Aufwühlen von Emotionen verbunden. 96-Präsident Martin Kind befürchtet, dass die nächsten Tage ihm und seinen Angestellten viel Kraft abverlangen werden – vor allem Florian Fromlowitz, der im Tor das schwere Erbe von Enke angetreten hat. „Wir werden Robert nie vergessen. Aber die Mannschaft hat die Tragödie hinter sich gelassen“, versichert der Schlussmann.

Weil Trauer persönlich ist, will jeder der Spieler seinen Weg finden, um sich zu erinnern oder noch einmal Abschied zu nehmen. Das gerade veröffentliche Buch über Enke, die Berichterstattungen über die endgültig vollzogene Adoption der 19 Monate alten Leila – all das wird auch Enkes Witwe Teresa belasten, die im September zwar wieder ein 96-Heimspiel besucht hat, sich ansonsten aber abschottet und nur sehr ungern öffentlich in Erscheinung tritt. Die eindringliche Bitte des DFB an die Medien, aus Gründen der Pietät der Kranzniederlegung am Mittwoch mit der nötigen Distanz zu begegnen, ist auch im Namen von Enkes Frau formuliert worden.

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