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Sport: Die Ukraine mogelt sich weiter

Köln - Als Andrej Schewtschenko den ersten Elfmeter verschießt, bekommt es sein Trainer nicht mit. 120 Minuten lang hat Oleg Blochin das beinahe unerträgliche Spiel ertragen, dann kann er die Spannung nicht mehr aushalten.

Köln - Als Andrej Schewtschenko den ersten Elfmeter verschießt, bekommt es sein Trainer nicht mit. 120 Minuten lang hat Oleg Blochin das beinahe unerträgliche Spiel ertragen, dann kann er die Spannung nicht mehr aushalten. Er flüchtet in die Kabine. Später erzählt er: „Ich habe gesagt, Leute, macht das Elfmeterschießen unter euch aus.“ 15 Minuten später bekommt Blochin auch nicht mit, dass Oleg Gusjew mit dem vierten Elfmeter für die Ukraine doch noch den Einzug ins Viertelfinale perfekt macht. Draußen springen seine Spieler wie Flummis umher, irgendeiner holt den Trainer, dann tanzen sie und umarmen sich, und Unglücksschütze Schewtschenko darf die ukrainische Fahne durch das Kölner Stadion tragen.

Es ist eine unerhörte Anspannung, die sich da entlädt bei der ukrainischen Mannschaft, und diese Explosion der Freude hat nicht nur etwas mit dem sehr engen Spiel zu tun, das nach 120 Minuten 0:0 stand, und auch nicht nur mit dem glücklich 3:0 gewonnenen Entscheidungsschießen. Blochin verrät es. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, fängt er an. „Wie soll ich meinen Zustand nur ausdrücken?“, grübelt er weiter: „Keiner hatte mehr Vertrauen in uns, wir wurden abgestempelt als Anfänger und kritisiert. Heute haben wir gezeigt, dass wir taktisch hervorragend spielen können.“ Frage: „Würden Sie ihr Spiel als konservativ bezeichnen, Herr Blochin?“ Blochin regt sich auf: „Was soll das heißen, konservativ? Immer mehr Leute erkennen an, dass wir guten Fußball spielen. Nennen Sie es vorsichtig oder ergebnisorientiert. So spielen wir. Das ist unser Weg.“

Man muss den Ausbruch des Trainers verstehen, in der Tat musste die Mannschaft seit dem 0:4-Auftakt gegen Spanien ständig Beschimpfungen aus der Heimat über sich ergehen lassen. Das 4:0 gegen Saudi-Arabien nahm man nicht für voll, das 1:0 gegen Tunesien wurde eher verlacht als gefeiert. Nach dem gewonnenen Elfmeterschießen, mit gütiger Hilfe der Schweizer, die keinen einzigen Schuss ins Tor brachten, ist das Turnier für die Ukraine plötzlich „ein Traum, den wir so nicht gewagt hätten zu träumen“, wie es Blochin ausdrückte. Im Viertelfinale am Freitag wartet nun Italien.

Aber das mit dem unerreichbaren Traum war gelogen. Denn die Ukrainer selbst hatten immer beteuert, dass sie sich auch den Titel zutrauen. Schewtschenko sagte: „Wir wollen Weltmeister werden, auch wenn wir wissen, dass wir im Moment für den Titel nicht reif sind.“ Der Kapitän hatte allerdings auch gesagt, er möge es, wenn er unter Druck stehe. Beim Elfmeterschießen scheint sein innerer Druck allerdings nicht hoch genug gewesen zu sein, der lasch geschossene Ball war sichere Beute für Torwart Zuberbühler. Blochin aber wollte nichts kritisieren an Schewtschenko. Der verschossene Elfmeter? „Ach, er hat ihn verschossen?“, fragte Blochin genüsslich. „Ich sagte ja, ich habe es nicht gesehen.“ Blochin beteuerte, er habe nie an den Qualitäten seines Stürmers gezweifelt. Er sei an diesem Tag wieder ein echter Anführer gewesen, sagte der Trainer, gab aber zu, „dass auch die Schweiz den Sieg verdient hatte“.

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