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Gutes neues Jahr? Marcus Sorg (l.) muss seine Entlassung verarbeiten. Sein Assistent Christian Streich (r.) erbt das Amt. Foto: dapd

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Sport: Die Unschuld verloren

Freiburg entlässt mit Marcus Sorg erstmals einen Trainer – und wiederholt das Beförderungsmodell.

In Freiburg ist eine Trainerentlassung gewissermaßen eine Sensation. Zum einen, weil sie mit der Beurlaubung von Marcus Sorg zum ersten Mal in der Bundesligageschichte des SC passierte. Zum anderen, weil man sich im Breisgau auf einem guten Weg wähnte mit dem seit Coach Robin Dutt betriebenen innerbetrieblichen Aufstiegsmodell. Nun muss der Tabellenletzte feststellen, dass interne Beförderungen nicht unbedingt dazu beitragen, Kontinuität und Erfolg zu wahren. Kurioserweise setzt der Verein trotzdem auf die nächste interne Lösung und befördert Sorgs bisherigen Assistenten Christian Streich zum Chef, obwohl der 46-Jährige wie sein Vorgänger über keine Erfahrung in der Fußball-Bundesliga verfügt. „Wir hatten das Gefühl, dass der Glaube, enge Spiele zu gewinnen, bei den Spielern nicht mehr vorhanden ist“, begründete Sportdirektor Dirk Dufner den Rauswurf. Man müsse sich mit der Zweiten Liga beschäftigen, sagt Dufner jedoch auch. Streichs Vertrag gilt bis 2014 und für die Erste und Zweite Liga. Im Trainingslager in Spanien will der langjährige A-Jugendtrainer Grundlagen für den Klassenerhalt legen. Dafür wurde ihm neues Personal versprochen. Die SC-Führung muss sich derweil allerlei Fehleinschätzungen vorwerfen.

Zwischen Sorg und seinem Kader kam es zuletzt zu atmosphärischen Störungen. Am 20. Dezember, nach dem letzten Vorrundenspiel (1:4 gegen Dortmund) unternahm der SC einen letzten verzweifelten Versuch, die Autorität des Trainers zu stärken. Kapitän Heiko Butscher, Felix Bastians, Kisho Yano, Maximilian Nicu und Manuel Salz wurden aus dem Kader gestrichen, Yacine Abdessadki gar fristlos entlassen, nachdem er in einem Kölner Hotel (der SC verlor gegen den FC 0:4) mehrere Seifenspender gestohlen haben soll, was er bestreitet.

Vor der verheerenden Niederlage in Köln soll sich die Mannschaft ohne Trainer getroffen haben, was Neu-Trainer Streich gestern verneinte. Anschließend schickte man eine Delegation mit Butscher an der Spitze zu Manager Dufner. Die Profis berichteten über ungenügende Trainingsinhalte, zaghafte Videoanalysen ohne konkrete Fehleransprachen und taktische Defizite. Dufner warf den Spielern vor, Alibis zu suchen. Man habe kleine Revolten mit Eigeninteressen im „Keim erstickt“, so Dufner damals. Die Entlassung Sorgs zeigt nun: Die SC-Führung bagatellisierte die Probleme zwischen Trainer und Mannschaft.

Man habe die Qualität des Kaders unter- und die des Trainers überschätzt, heißt es. Zu verlockend schien im Sommer die Idee, nach Dutt erneut einen Neuling im Profigeschäft zu nominieren. Dutt und Sorg eint eine gemeinsame Vergangenheit bei den Stuttgarter Kickers. Dort war Sorg lange Dutts Vorgesetzter. Als SC-Cheftrainer erinnerte sich Dutt an den Gefährten und holte ihn als Nachwuchscoach nach Freiburg.

Die gemeinsamen Tage in Stuttgart, so hoffte der Klub nach Dutts Abgang nach Leverkusen, würden einigermaßen verlässlich für eine ähnliche Philosophie und Arbeitsweise stehen und einen geräuschlosen Übergang ermöglichen. Frei nach dem Motto: Der kleine Dutt (Sorg) folgt dem Original. Nun ist der SC Freiburg schlauer und um die Erkenntnis reicher, dass Kontinuität zu bewahren eine schwierige Sache sein kann, die nicht ohne Rückschläge erfolgt. Mit der Entlassung Sorgs hat Freiburg ein weiteres Stück seiner Unschuld verloren. Bislang hatte der Verein noch nie vorzeitig einen Trainer entlassen. Volker Finke ging 2007 nach 16 Jahren, Dutt nach vier.

„Ein bisschen Fortune“ gehöre bei einem Trainer dazu, sagte SC-Präsident Fritz Keller. Die habe Sorg gefehlt. Der Winzer Keller war 2009 dem verstorbenen Achim Stocker im Amt gefolgt, der den Klub 37 Jahre geführt hatte. „Es ist ein schwieriger Moment für mich“, sagte Neu-Trainer Streich. „Ich hab lange überlegt. Gegenüber Marcus war es die schwierigste Entscheidung in meinem Leben.“

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