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Sport: Die Vergangenheit ist noch da

Nach Rüssmanns Entlassung rufen die Anhänger des VfB Stuttgart zur Demo auf – Präsident Manfred Haas soll weg

Stuttgart. Ja, ja, der Fluch der Geschichte. Vor gut zwei Jahren war Manfred Haas als Präsident des VfB Stuttgart mit dem Anspruch angetreten: „Wir wollen den Verein zu einem erfolgreichen, fröhlichen Event machen.“ Ersteres ist dem VfB in sportlicher Hinsicht mit Platz fünf in der Tabelle gelungen. Nur mit der Fröhlichkeit ist das so eine Sache in den ersten Tagen nach Rolf Rüssmann. Seit der Entlassung des Sportdirektors treibt den Anhang die Sorge um das Wohl des mit 16,6 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasteten Traditionsklubs um, und verdächtig häufig fokussiert sich die geharnischte Kritik auf – Manfred Haas.

Die VfB-Anhänger laufen Sturm. In einer Internet-Umfrage loteten die „Stuttgarter Nachrichten“ die Gemütslage unter den Fans aus. Demnach stimmt Rüssmanns Rauswurf 12 Prozent gleichgültig und 19 Prozent erleichtert – doch 31 Prozent sind besorgt und 38 Prozent erbost. Vor allem über einen: Manfred Haas. Selten war die Gefolgschaft des Klubs derart aufgebracht. Für den heutigen Montag haben die Fans zu Demonstrationen vor der Geschäftsstelle aufgerufen. In Briefen an den VfB fordern sie eine außerordentliche Mitgliederversammlung – und die Abwahl von Manfred Haas und Ulrich Ruf.

Der 61-jährige Haas, im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der Sparkassenversicherung mit 3000 Mitarbeitern, beschäftigt sich zwar nach eigener Aussage „ausschließlich mit der Zukunft“. Doch nun holt ihn seine Vergangenheit als Mitglied des VfB-Aufsichtsrats ein. Sieben Jahre lang gehörte er dem Gremium an: Welche Rolle spielte Haas in den Jahren 1993 bis 2000? Eine wechselvolle Ära. In dieser Zeit verschliss der VfB neun Übungsleiter, von Christoph Daum über Joachim Löw bis Ralf Rangnick. Zudem kaufte der Klub damals eine Unzahl an teuren, sportlich aber kaum zu gebrauchenden Spielern wie Markovic, Didi, Zaharevskii und Stojkovski – alles Namen, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem heutigen Schuldenstand stehen. Der wird zwar weitgehend dem damaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder angelastet. Doch als Aufsichtsratsmitglied trug Haas die Verantwortung für jeden Transfer mit.

In Wirklichkeit sei alles ganz anders gewesen: Allzu häufig habe Mayer-Vorfelder den Aufsichtsrat vor vollendete Tatsachen gestellt, wie etwa bei der Verpflichtung von Trainer Winfried Schäfer. „Den wollte keiner außer MV“, empörte sich der damalige Aufsichtsratschef Heinz Bandke im Nachhinein und zementierte damit den Eindruck in der Öffentlichkeit, beim damaligen Aufsichtsrat habe es sich um ein willfähriges Gremium aus Kopfnickern gehandelt. Im Zuge der Ermittlungen gegen Mayer-Vorfelder untersucht die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch die Rolle des damaligen Aufsichtsrates. Auch wenn die Sache nach Lage der Dinge im Sande verlaufen dürfte – den auf seinen unbescholtenen Leumund erpichten Manfred Haas stören diese Untersuchungen immens. Er sagt: „Darüber spreche ich nicht in der Öffentlichkeit.“

Haas agiert, auch in der geschwätzigen Branche Profifußball, nach Werten wie Diskretion und Verschwiegenheit. Das geht häufig auf Kosten der Transparenz. Argwöhnisch betrachten die Anhänger die Strömungen im Verein. Zum Beispiel das herzliche Verhältnis zwischen Haas und seinem Golffreund Achim Egner – zufälligerweise ist der Chef des VfB-Hauptsponsors Debitel der erklärte Intimfeind Rüssmanns, was er auch schon in der VIP-Lounge des Daimlerstadions lauthals verkündet hat. Auch mit Dusan Bukovac, dem Berater von Krassimir Balakow, dreht Golfer Haas (Handicap 19) seine Runden. Und wieder holt ihn der Fluch der Geschichte ein: Balakows Engagement beim VfB ist erstens mit drei Millionen Euro pro Saison vergoldet und verlängert sich jeden Sommer um ein weiteres Jahr, sobald der Bulgare ein ärztliches Attest über seine körperliche Fitness herbeischafft – auch dies segnete der damalige Aufsichtsrat Haas ab. Als Vereinschef hat er nun einen Teil der Aufgaben Rüssmanns, die Abwicklung von Spielertransfers, dem Finanzdirektor Ulrich Ruf übertragen. Ruf ist seit 23 Jahren beim VfB im Amt, in seiner stillen, unauffälligen Art hat das langjährige Vorstandsmitglied mehr Stürme überstanden als Haas. Beide gelten in den Augen der Anhänger als Relikte einer überwunden geglaubten Vergangenheit.

Die Pressekonferenz zu Rüssmanns Entlassung verlegte der VfB ins 40 Kilometer entfernte Uhingen, in die Allgaier-Werke des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Hundt. Er tat gut daran. Rund ums Klubheim am Cannstatter Wasen herrscht dicke Luft.

Franz S. Füssle

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