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Sport: Die verlorene Generation

Nur die deutschen Frauen rechnen bei der Ski-WM mit Medaillen, die Herren deprimieren schon vorher

St.Moritz/Berlin. Es hat geschneit in St.Moritz, und das erinnert Martin Oßwald an die guten, vergangenen Tage. „Wenn es Neuschnee hatte, sind wir früher sofort den Berg hochgefahren, wollten unbedingt springen oder abfahren“, sagt der Cheftrainer des deutschen Alpinteams der Herren. Ganz anders die Skifahrer, die er jetzt betreut. Oßwald sagt: „Die bleiben lieber im Hotel.“

Martin Oßwald klingt in diesen Tagen sehr deprimiert. Am Samstag wird die Alpine Ski-WM in St. Moritz feierlich eröffnet, eine Veranstaltung, die für einen Skitrainer eigentlich der Höhepunkt des Jahres sein sollte. Oßwald bringt das Ereignis nur der Depression näher. Weil seine Fahrer so chancenlos sind. „Wir sind nicht auf einem Level, bei dem ich Hoffnung haben kann“, sagte Oßwald. Wenn Markus Eberle, Andreas Ertl, Max Rauffer oder Stefan Stankalla unter die ersten zehn fahren würden, es wäre bereits eine Überraschung. „Ein Platz unter den ersten zehn erscheint mir doch sehr unrealistisch“, sagt DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller, „man kann keine Wunder erwarten.“

Anders der Frauenbereich. Dort rutschen in Hilde Gerg und Martina Ertl zwei deutsche Skifahrerinnen an den Start, die in Riesenslalom, Super-G, Abfahrt oder Kombination gute Chancen auf eine Medaille haben. Auch Regine Häusl oder Annemarie Gerg gehen längst nicht so aussichtslos in ihre Rennen wie es ihre männlichen Kollegen tun. Warum? „Das Hauptproblem sind die Jahrgänge 1969 bis 1979, da gibt es nur die vier oder fünf Fahrer, die wir jetzt haben“, sagt Oßwald. Eine ganze Generation ist dem Deutschen Skiverband (DSV) verloren gegangen. „Da ist im Verband einiges schief gelaufen“, sagt Oßwald. Seit Markus Wasmeier seine Karriere beendete, gab es keinen erfolgreichen Skifahrer mehr. Florian Eckert überraschte mit einer Bronzemedaille vor zwei Jahren bei der Ski-WM, doch seither ist der 23–Jährige verletzt.

Die aktuelle Generation fährt nur hinterher. „Es fehlt der absolute Wille, nach vorne zu kommen“, sagt Oßwald. Das sei das herausragende Merkmal des Österreichers Hermann Maier. Zudem fehlt es an Konkurrenz im eigenen Lager. „Die Österreicher haben den Druck von Haus aus“, sagt Oßwald. In Deutschland können sich Eberle oder Stankalla eine schlechte Saison wie die gegenwärtige leisten, für die Ski-WM werden sie dennoch nominiert. Sonst müsste der DSV seine Startplätze ungenutzt lassen.

Das Nachwuchsproblem kennt auch Christian Neureuther. „Einige Jugendliche brechen in den Funsportbereich weg“, sagt der ehemalige Skiprofi, „die fahren lieber Snowboard oder Freestyle, da muss man sich nicht so quälen und hat schneller Erfolg.“ Inzwischen würden manche Kinder lieber Skispringen oder Biathlon lernen. Beim deutschen Nachwuchs kennt sich Neureuther gut aus. Für die WM nominierte der Verband gestern neben Christian Wanninger ein 18-jähriges Talent nach, das er und seine Frau Rosi Mittermaier schon mal gesehen haben: Seinen Sohn, Felix Neureuther.

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