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Sport: Die Verzweiflung des Kunstschützen

Nur David Beckham überzeugt beim 1:0 Englands über Ekuador

Bevor er gegen den Ball trat, lächelte David Beckham. Hatte er Grund dazu? Eine Stunde lang war die von ihm angeführte englische Mannschaft über den Rasen von Stuttgart gestolpert und hatte sich keine Torchance erspielt. Stattdessen Pässe ins Leere, Dribblings ohne Ziel, Fernschüsse aus Verzweiflung. Nun lag der Ball gut zwanzig Meter vor dem Tor, Beckham lächelte, lief an, mit rechts trat er zu, und so flog der Ball vorbei an der Abwehrmauer von Ekuador und quetschte sich in die kleine Lücke zwischen linkem Pfosten und der rechten Hand von Torwart Cristian Mora. England wurde im Achtelfinale gegen Ekuador erlöst – von einem Kapitän, der die Schwäche seines Teams mit einem Kunstschuss zu überspielen vermochte. Doch nach einem lahmen 1:0 (0:0)-Sieg dürften die Diskussionen um die Mannschaft des schwedischen Trainers Sven-Göran Eriksson weitergehen. Wenigstens die Kritik an Beckham wird verstummen, hatte sich der 31-Jährige seinen Treffer doch mit Einsatzwillen verdient.

„Wir haben es uns selbst schwer gemacht und den Ball nicht so gut kontrolliert, wie wir das können“, kritisierte Beckham . Er selbst hatte bei schwülem Wetter in Stuttgart versucht, Verantwortung zu übernehmen – so wie es Eriksson in einer seltenen Koalition mit der englischen Presse gefordert hatte. Die Hitze, die sich über Stuttgart gelegt hatte, machte dem angegriffenen Anführer allerdings schwer zu schaffen. „Ich fühlte mich schon vor dem Spiel nicht gut, aber ich dachte, es sei nicht so schlimm“, erzählte Beckham.

Kurz vor Schluss bekam der Torschütze Probleme mit seinem Kreislauf – er erbrach sich auf den Rasen. „In der zweiten Halbzeit wurde mir richtig schlecht, da kam es einfach raus.“ Kurz vor Spielende wechselte ihn Eriksson aus. Später zeigte sich der Trainer verwundert darüber, dass ihm Beckham nichts von seiner Übelkeit gesagt hatte.

Es war noch die kleinste Kommunikationspanne im englischen Team. Ohne Einsatz, Ideen und Verständnis für die Mitspieler präsentierte sich der selbst ernannte Titelanwärter. Die vermeintlichen Führungsspieler Steven Gerrard und Frank Lampard fielen nur durch Fehlpässe auf. „Wir waren nicht schnell genug in der ersten Halbzeit“, gestand Gerrard ein. Abgesehen von einigen mäßig zwingenden Chancen, von denen keine einer gewollten Kombination entsprang, bot das Mittelfeld der Stars lange eine katastrophale Leistung.

Fast wären die harmlosen Ekuadorianer sogar in Führung gegangen. Einen einfach abzuwehrenden Flankenball köpfte Englands Verteidiger John Terry statt vom eigenen Strafraum weg direkt vor die Füße von Ekuadors Stürmer Carlos Tenorio. Der wusste mit dem Präsent nichts anzufangen und zögerte, der heraneilende Ashley Cole sprang noch in den Schuss und lenkte ihn an die Latte. „Da haben wir Glück gehabt“, gab Eriksson zu. Es zeigt das Dilemma dieses Spiels, dass Terry, der beinahe einen Gegentreffer verschuldet hätte, später als „Man of the Match“ ausgezeichnet wurde.

Nach einer Stunde Spieldauer ohne Höhepunkte, als sich auf der Bank schon der lange Ersatzstürmer Crouch die Stutzen richtete, setzte Beckham zum befreienden Kunstschuss an. Danach ergaben sich noch einige Chancen, meist allerdings durch Zufall. Frank Lampard vergab sie. So war sich die Mannschaft, die sost keine geschlossenheit gezeigt hatte, immerhin in der Einschätzung einig, wem sie das Weiterkommen zu verdanken hatte. „David Beckham hat heute gespielt wie ein Kapitän“, sagte Owen Hargreaves stellvertretend für alle.

Trainer Eriksson hatte das schwache Spiel befördert, indem er nur einen Stürmer auf das Feld beordert hatte. Eriksson ließ Peter Crouch auf der Bank. „Ohne England fahr’n wir nach Berlin“, spotteten die deutschen Fans und forderten die Einwechslung Lukas Podolskis. Der deutsche Stürmer hätte dem englischen Angriff in der Tat gut getan. In der Rolle als Alleinunterhalter im Angriff vermochte Wayne Rooney immerhin zu überzeugen. Der 20-Jährige hatte nach dem geheilten Mittelfußbruch erst zwei halbe WM-Spiele absolviert.

Eriksson kündigte bereits an, die Taktik des Ein-Mann-Sturms auch für das Viertelfinale am Samstag gegen Portugal zu erwägen. Es klang wie eine Drohung.

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