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Sport: Die Zeit ist um

In Kaiserslautern fordert das Chaos erste Opfer: Trainer Brehme und Vorstandschef Friedrich gehen

Von Martin Hägele

Kaiserslautern. Die Nachricht kam per Fax. Offensichtlich wollen die Verantwortlichen des 1. FC Kaiserslautern nach den Erfahrungen der vergangenen Tage nicht mehr mit den Medien sprechen. Also Schwarz auf Weiß: Der Verein trennt sich von Teammanager Andreas Brehme. Gleichzeitig hört Jürgen Friedrich auf eigenen Wunsch als Vorstandsvorsitzender auf.

Angesichts der jüngsten sportlichen Entwicklung beim 1. FC Kaiserslautern wäre die 264. Trainer-Entlassung im Verlauf von 40 Jahren Bundesliga nur eine Fußnote der Geschichte gewesen – wenn es sich dabei nicht um Andreas Brehme gehandelt hätte. Der 41-Jährige hat sich Verdienste fürs Vaterland erworben: Als im WM-Endspiel 1990 in Rom Spielführer Lothar Matthäus beim Elfmeter Angst bekam, dachte Brehme nicht an die Folgen, sondern versenkte die Kugel trocken im argentinischen Netz. Für seine Courage hat er vom DFB ein Geschenk bekommen; wie alle anderen Weltmeister durfte er das Trainerdiplom in einem Kurzlehrgang erwerben. Ob der frühere Weltklassespieler überhaupt die intellektuellen und rhetorischen Fähigkeiten besitzt, ein Team mit mehr als 30 Leuten zu führen und ein Millionen-Unternehmen zu repräsentieren – diese Fragen sind rund um den Betzenberg erst aufgetaucht, als sich das Personal längst lustig machte über die Versprecher des Chefs, der seine schwindende Autorität dadurch zu retten versuchte, dass er mit dem französischen Welt- und Europameister Youri Djorkaeff den mit Abstand besten Spieler seiner Mannschaft aus der Stadt mobbte.

Dass die joviale Masche, der angeborene Instinkt und der Kontrast zum Vorgänger Otto Rehhagel schon nach einem halben Jahr aufgebraucht waren, hätten gewissenhafte Kontrolleure bereits im Frühjahr 2001 feststellen müssen, als die Lauterer im Saison-Finish regelrecht zusammenbrachen. Ein Malheur, das sich zu Beginn dieser Runde wiederholte und erneut die aus finanziellen Gründen wichtige Qualifikation fürs internationale Geschäft kostete. Dennoch wäre es unfair, den Mann allein als Symbol für den Niedergang darzustellen. Das ganze Vereinsgefüge ist brüchig geworden, und dieser Zustand spiegelt sich in der psychischen und körperlichen Verfassung der Profis wieder.

Das Klima in und um den 1. FC Kaiserslautern ist seit der Rehhagel-Epoche verpestet. Vor allem von jener Clique um Otto Rehhagel, die den Verein mit ihrer Selbstgerechtigkeit immer mehr gespalten hat. Die Aufsichtsräte und Vorständler Robert Wieschemann, Jürgen Friedrich, Gerhard Herzog und Hubert Kessler, von deren rhetorischen und strategischen Qualitäten sich das Medienland Bundesliga zuletzt fast täglich überzeugen konnte, haben sich buchstäblich aus der Verantwortung geschwatzt. Angesichts dessen scheint es fraglich, ob der Problemstau dadurch zu lösen ist, dass der Verein dem Schweizer Unternehmer Rene C. Jäggi untergeordnet wird.

Von Brehme war am Montag nichts zu hören. Sein großer Mentor Friedrich („So lange ich hier etwas zu sagen habe, bleibt Brehme Trainer") war beleidigt gegangen. Die übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder haben über sich selbst eine Nachrichtensperre verfügt; bis zum 3. Oktober, wenn Jäggi das nächste Mal nach Kaiserslautern reist und dann eventuell sein Engagement bekannt gibt, wollen sie nichts sagen. So lange soll für den Verein – und auch für die Person Jäggi – nur Pressesprecher Michael Novak reden, ein wortkarger Zeitgenosse.

Nun hat sich sogar Ministerpräsident Kurt Beck in die wichtigste sportliche Angelegenheit von Rheinland-Pfalz eingeschaltet und für heute zum Krisengipfel nach Mainz geladen. In dieser Runde will Andreas Kirsch, Sprecher der Oppositionsgruppe „Unser FCK“ den Mandatsträgern vorschlagen, ihre Ämter sofort niederzulegen und den Weg für eine Notversammlung mit Neuwahlen freizumachen. „Die alten Seilschaften müssen ein Ende haben", sagt Kirsch. .

Die Kritiker wollen das Machtvakuum so schnell wie möglich füllen, nicht erst bei der in sieben Wochen geplanten Generalversammlung. Seit gestern wird der Verein kommissarisch geführt: Herzog und Prokurist Erwin Göbel zeichnen fürs Präsidium verantwortlich, Kessler als Chef des Aufsichtsrats. Ausgerechnet der bei vielen Fans verhasste Herzog und der für seine bescheidene Sprachgewalt oft verulkte Kessler – zwei unglückliche Personalien. Erst recht, nachdem gestern Nacht aus der Bahnhofsstraße 26 - 28 ein Einbruch vermeldet wurde. In der Kanzlei des Anwalts Kirsch fehlen Ordner über Wieschemann und Friedrich sowie über Transfer-Geschäfte. Auch ein Großteil der Unterschriftenlisten, mit denen eine außerordentliche Versammlung einberufen werden sollte, ist verschwunden.

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