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Benaglio

© ddp

Diego Benaglio: "Wir werden Europameister"

Das Selbstvertrauen ist groß - nur ein Elfmeterschießen gegen Deutschland möchte er lieber vermeiden: Der Schweizer Nationalkeeper Diego Benaglio über typisch deutsches Torwartspiel, planbare Karrieren und die Vorzüge von Wolfsburg.

Herr Benaglio, wie weit kommt denn die Schweiz bei der Europameisterschaft im Sommer?

Eine direkte Frage verdient eine direkte Antwort: Wir werden Europameister!

Steht schon fest, gegen wen Sie im Endspiel gewinnen?

Das ist eigentlich ziemlich egal. Ich nehme, wer da kommt.

Jetzt spielen Sie erst einmal am Mittwoch in Basel gegen Deutschland. Sie tragen das Schweizer Trikot, aber hätten Sie was dagegen, wenn wir Sie wegen Ihrer Stuttgarter Vergangenheit auch ein bisschen einbürgern?

Ich glaube schon, dass mich die drei Jahre in Stuttgart geprägt haben und Einfluss auf mein Torwartspiel hatten. Aber schlussendlich bin ich Schweizer. Und ich glaube auch, dass ihr hier in Deutschland genügend gute Torhüter habt, dass ihr mich nicht einbürgern müsst.

Gibt es an Ihrem Torwartspiel etwas, das typisch deutsch ist?

Die deutschen Torhüter waren immer schon sehr athletisch, sehr sprunggewaltig, körperlich sehr gut.

Das ist die alte Schule ...

Es gibt ja nicht nur Oliver Kahn. Junge Leute wie Manuel Neuer oder René Adler sind ja nicht nur auf der Linie gut, die verkörpern schon das, was als modernes Spiel gilt.

Das moderne Spiel ist hier mit einiger Verzögerung angekommen. Deutsche Spieler sind im Ausland nicht mehr so gefragt wie früher. Dafür spielen sehr viele Schweizer in den großen Ligen. Wie kommt’s?

Die Jugendarbeit des Schweizer Verbandes hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Und dann ist es sicherlich ein Fakt, dass die Schweizer Liga nicht zu den Topligen in Europa gehört.

Sie sind Ende Januar aus der international eher wenig beachteten portugiesischen Liga vom Klub Nacional Funchal in die Bundesliga gewechselt. Zwei Wochen später hat der Schweizer Nationaltrainer Jakob Kuhn Sie zu seiner Nummer eins für die Europameisterschaft gemacht.

Ich glaube nicht, dass es auf die Entscheidung noch Einfluss hatte.

Sie sind also nicht nach Wolfsburg gegangen, um auf sich aufmerksam zu machen?

Ich bin hierher gekommen, weil ich aus den Gesprächen herausgehört habe, dass der VfL und Trainer Felix Magath auf mich setzen möchten.

Sie sind 2002 aus Zürich nach Stuttgart gegangen. Sie waren 18 Jahre alt ...

... und ganz klar die Nummer drei. Aber ich habe in dieser Zeit unheimlich viel gelernt. Zum einen war das Torhütertraining sehr gut, zum anderen bin ich als Mensch gereift. Das ist ja nicht selbstverständlich, in so jungen Jahren die Heimat zu verlassen. Meine Mutter war nicht gerade begeistert. Ich habe die Zeit in Stuttgart immer als Ausbildung betrachtet; ich bin ja nicht mit 18 Jahren mit der Erwartung da hingegangen: Ich muss in den nächsten paar Monaten die Nummer eins sein. Ich kann in die Bundesliga reinschnuppern, wertvolle Erfahrungen sammeln. Ich konnte mir das vorher anschauen, zwei Tage mittrainieren, und danach wusste ich: Das ist das richtige Umfeld für mich.

Strategische Karriereplanung – das ist selten im Fußball.

Nur damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich hätte nicht Nein gesagt, wenn ich gespielt hätte.

Felix Magath ist 2004 nach München gegangen, Sie ein Jahr später nach Madeira. Jetzt haben Sie sich in Wolfsburg wiedergetroffen. Der Kontakt ist offensichtlich nie abgerissen.

Wir hatten seit der Zeit in Stuttgart keinen Kontakt mehr. Die Anfrage aus Wolfsburg lief über meinen Berater, erst danach habe ich mich mit Herrn Magath unterhalten.

Gab es noch andere Vereine, die im Winter an Ihnen interessiert waren?

Lazio Rom war ein Thema.

Sie haben sich wahrscheinlich wegen der Stadt für Wolfsburg und gegen Rom entschieden.

Natürlich hat auch die italienische Liga ihre Reize, und dass Rom eine tolle Stadt ist, darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber das hat in meinen Überlegungen absolut keine Rolle gespielt. Für mich stand im Vordergrund, was sportlich das Bessere ist, und ich war hundertprozentig davon überzeugt, dass Wolfsburg die bessere Entscheidung ist, weil ich gespürt habe: Hier will man auf mich setzen, hier will man etwas aufbauen.

Ihr erstes Spiel für den VfL lief nicht besonders gut an. Der Schalker Peter Lövenkrands hat aus kurzer Distanz und spitzem Winkel geschossen …

… mich am Kopf getroffen, und plötzlich war der Ball drin. Was soll ich dazu sagen? Auch unschöne Gegentore lassen sich nicht rückgängig machen. Im Fußball geht es immer weiter. Ich versuche, mich von den äußeren Einflüssen so wenig wie möglich beeinflussen zu lassen. Ich konzentriere mich nur auf das Spiel.

Das klingt alles eine Spur zu perfekt. Haben Sie denn in Ihrer Karriere noch nie Rückschläge erlebt?

Es ist bei mir bisher wirklich alles ganz gut gelaufen. Ich erinnere mich aber: Als ich in Portugal angekommen bin, habe ich die ganze Vorbereitung mitgemacht – aber als der erste Spieltag dann kam, hatte ich keine Spielberechtigung. Zwischen den beiden Vereinen hat irgendetwas nicht geklappt. Und wie es so ist im Fußball: Der andere Torwart hat gespielt, er war richtig gut und stand dann erst einmal vier Spiele im Tor. Versuchen Sie sich mal in meine Lage zu versetzen: Ich war neu im Verein, sollte die Nummer eins werden, und durch einen Zufall, für den ich nichts konnte, bin ich auf einmal außen vor.

Später haben Sie mal in einem Spiel für Nacional Funchal gegen Sporting Lissabon innerhalb von einer Viertelstunde vier Gegentore kassiert.

Ich konnte bei keinem dieser Tore etwas machen. Aber natürlich hast du als Torwart daran zu knabbern.

Sind Sie selbstkritisch?

Sehr. Ich bin selten so richtig zufrieden mit mir. Das perfekte Spiel gibt es nicht.

Schauen Sie sich Ihre Spiele später noch einmal auf Video an, um zu überprüfen, ob Ihre subjektive Unzufriedenheit auch mit den objektiven Fakten übereinstimmt?

Manchmal. Aber meistens weiß ich schon, wenn ich vom Platz gehe, ob es eine Szene gibt, die ich mir gerne noch einmal anschauen möchte. Das besprechen wir später im internen Kreis. Gerade für einen Torhüter können solche Videoanalysen sehr hilfreich sein.

Kommt es vor, dass Sie auf dem Video besser aussehen, als Sie selbst gedacht haben?

Ja, das ist auch schon vorgekommen. Allerdings hat es auch schon Szenen gegeben, in denen ich im Spiel vielleicht gedacht habe, ich habe richtig reagiert, wo man aber auf dem Video sieht, dass man doch noch was hätte anders machen können. Das Video lügt nicht.

Damals, in Ihrem ersten Spiel für Wolfsburg, waren Sie nach dem unglücklichen Auftakt der Mann des Abends. Der VfL erreichte die nächste Pokalrunde, weil Sie im Elfmeterschießen den entscheidenden Schuss pariert haben. Genau so ein Torwart hat der Schweiz bei der WM vor zwei Jahren gefehlt ...

Weil wir im Elfmeterschießen gegen die Ukraine ausgeschieden sind? Pascal Zuberbühler hat ja einen Elfer gehalten, aber wir haben drei verschossen, das war wohl eher der Grund.

Ist Elfmeterschießen Glückssache?

Der Faktor Glück spielt auf jeden Fall eine Rolle.

Warum gewinnen dann immer die Deutschen?

Weiß ich nicht, will ich auch gar nicht wissen. Aber ich bete zu Gott, dass wir nie im Elfmeterschießen gegen die Deutschen antreten müssen.

Das Gespräch führten Sven Goldmann und Stefan Hermanns.

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