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Sport: Dirigent der Misstöne

Der Franzose Micoud ist ein hervorragender Fußballer – bei Herthas nächstem Gegner Bremen ist er trotzdem umstritten

Bremen. Wenn er nicht Fußballspieler geworden wäre, würde er heute als Gitarrist sein Geld verdienen. Behauptet Johan Micoud jedenfalls. Das sagt viel über den eigenwilligen Franzosen, über dessen künstlerische Fähigkeit beim SV Werder vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC am Samstag wieder gerätselt wird. Der begnadete Dirigent oder der Mann für die Misstöne?

Fakt ist, dass Micoud für manche Verstimmung der letzten Wochen verantwortlich ist. Denn die Bilanz nach acht Monaten stellt nur bedingt zufrieden. Der dekorierte Spiritus Rector, Europameister, französischer Meister und italienischer Pokalsieger, verfügt über strategisches Geschick, eine brillante Ballbehandlung und ein einmaliges Gespür für die entscheidende Situation. Vor allem in der Hinrunde hat Monsieur Micoud all das zum Wohle des SV Werder eingesetzt. In der Rückrunde häuften sich die Missklänge in Bremen im Allgemeinen, die über den Franzosen im Besonderen. Wie eine beleidigte Diva spazierte er bisweilen über den Rasen, zeigte mit lustlosem Stehenbleiben, was er von den weniger begabten Mitspielern hielt, brachte mit verächtlichen Gesten den Schiedsrichter gegen sich auf. Er ohrfeigte einen Journalisten, kritisierte den Trainer und die Vereinspolitik. Nicht nur einmal redete Klaus Allofs mit ihm. „Er kann besser spielen, er hat eine Vorbildfunktion“, fordert der Sportdirektor, „er muss vorangehen.“

Doch will Micoud das wirklich? Nicht verstummen wollen Stimmen, die sein Gehabe als Provokationen werten, den Verein zu verlassen. Zum Heimspiel gegen Hertha erscheint ein großes Interview im Vereinsmagazin, in dem Micoud wie folgt zitiert wird: „Ich habe bewusst bis 2005 unterschrieben. Denn mir war klar, dass wir einige Zeit brauchen. Wir wollen uns in den nächsten Jahren zu einem Top-Team entwickeln.“

Der bald 30-Jährige sagt so etwas auf sanften Druck aus der Führungsetage. „Wir haben genügend Geld, ihn zu halten“, betont Allofs. Überhaupt nicht vergleichbar sei die Situation um Micoud mit dem Fall Frings, dessen Verkauf 2002 dazu diente, den Etat auszugleichen. Jetzt müssen eigentlich die Personalkosten um 20 Prozent reduziert werden.

Deshalb ist ein Verbleib Micouds in Bremen noch längst nicht klar: Ungebrochen ist das Interesse des FC Liverpool. Gerade erst beim 0:1 in Kaiserslautern saß deren Teamchef Gerard Houllier auf der Tribüne. Im Visier: Micoud, auffällig engagiert. Die Engländer bieten die von Micoud verlangte internationale Bühne. Keinen hat das überflüssige Uefa-Cup-Aus der Bremer gegen Arnheim mehr geärgert als ihn: Meterweit schleuderte er damals die Schuhe durch den Kabinentrakt, hockte allein auf der Treppe. Wahrscheinlich ahnte er schon im tristen November 2002, dass die Möglichkeiten dieser Mannschaft begrenzt sind.

Als Micoud kam, stellte er viele Forderungen. Unter anderem die: „Wir müssen unter die ersten fünf kommen, den DFB-Pokal oder den Uefa-Cup gewinnen.“ Ziel verfehlt – Micoud verloren?

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