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Dokumentation: Nationalelf schreibt Brief an Robert Enke

Am Abend spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in einem Testspiel gegen die Elfenbeinküste. Es ist das erste Spiel der Elf nach dem Tod von Robert Enke. In einem offenen Brief verabschiedet sich die Mannschaft von ihrem Torwart.

"Lieber Robert, es ist nicht leicht, heute Abend die Fußballschuhe anzuziehen, raus zu gehen auf den Rasen, 90 Minuten das zu tun, was Du so sehr geliebt hast. Dein Tod ist für uns immer noch allgegenwärtig. Er hat uns alle sprachlos gemacht, fassungslos, hilflos. Wir waren wie gelähmt, als wir die unerträgliche Nachricht bekommen haben. Wir waren nicht in der Lage, unsere Trauer in Worte zu fassen. Wir waren nicht in der Lage, ein paar Tage später Fußball zu spielen. Wir konnten nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Wir alle brauchten diesen Moment der Ruhe, um zu realisieren, was passiert ist. Richtig verstehen werden wir es vielleicht nie.

Wir haben lange zusammengesessen und an Dich gedacht. Wir haben zusammen geschwiegen, zusammen geweint und zusammen nach Antworten gesucht, aber eigentlich immer nur neue Fragen gefunden. Quälende Fragen nach dem Warum. Warum konnten wir Dir nicht helfen? Warum konntest und wolltest Du uns nicht von Deinen Problemen erzählen? Warum ist es in unserem Leistungssport, in unserer Leistungsgesellschaft nicht möglich, Angst und Krankheit auszusprechen?

Es ist für uns alle ein schmerzhafter Gedanke, dass Du Dich einsam und allein gefühlt haben musst, auch wenn Du mit uns zusammen warst. Dass Du so oft das Gefühl gehabt haben musst, viel mehr verlieren zu können als nur ein Fußballspiel. Dass für Dich so viel mehr auf dem Spiel stand als für jeden anderen von uns. Dein Tod ist so trostlos. Aber wir werden alles dafür tun, in Deinem Sinn weiterzumachen, guten Fußball zu spielen, erfolgreich zu sein. Und uns dafür einzusetzen, dass Vorurteile und Stigmatisierungen im Fußball keinen Platz haben.

Du wirst uns fehlen. Auf dem Weg ins Stadion, in der Kabine, im Strafraum. Du wirst uns fehlen, weil Du ein außergewöhnlicher Torhüter warst. Aber noch vielmehr, weil Du ein bemerkenswerter Mensch warst. Wir spielen heute für Deutschland, wir spielen für die Fans. Aber wir spielen vor allem für Dich. Für einen guten Freund, durch dessen Tod wir alle noch ein Stückchen näher zusammengerückt sind.

Wir sind ein Team. Und Du wirst immer ein Teil dieses Teams bleiben.

Deine Nationalmannschaft"  

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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