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Sport: Doping auf Rezept

Der Pharmariese Amgen vertrieb Epo in großem Stil und muss nun 762 Millionen Dollar Strafe zahlen.

Berlin - Der Pharmagigant Amgen wurde in dieser Woche von einem US-Gericht in Brooklyn zu einer Strafe von 762 Millionen US-Dollar wegen unerlaubten Marketings verschiedener Epo-Präparate verurteilt. Die Staatsanwaltschaft warf dem Konzern vor, Ärzte und Apotheker zum Einsatz des Wachstumsbeschleunigers für rote Blutkörperchen auch über den gesetzlich vorbestimmten Rahmen und die empfohlenen Dosierungsgrenzen hinaus gedrängt zu haben und dabei Gesundheitsrisiken von Patienten in Kauf genommen zu haben. Amgen akzeptierte das Urteil. „Amgen wird etwa 612 Millionen US-Dollar zur Beendigung von Schadensersatzklagen unter anderem Aranesp, Epogen und Neupogen betreffend bereitstellen und 150 Millionen Dollar Strafe wegen des Vertriebs von Aranesp zahlen“, hieß es in einer Pressemitteilung des kalifornischen Unternehmens.

Das Gerichtsverfahren, das sich über mehrere Jahre hinzog und auf elf verschiedenen Anzeigen basiert, wirft ein interessantes Schlaglicht auf das Dopinggeschäft. Denn Amgen ist nicht nur Hauptsponsor der Kalifornienrundfahrt der Radprofis. Das in in den 80er Jahren in den Labors der damals noch jungen und aufstrebenden Firma entwickelte Epogen ist die Mutter aller Blutdopingpräparate. Noch vor seiner offiziellen Zulassung in den USA im Juni 1989 kursierte es in der Profiradsportszene. Kurz nach seiner Zulassung – im August 1989 – gab es den ersten Todesfall eines holländischen Radlers, der mit „dickem Blut“ verknüpft war. Eine Serie von ominösen Todesfällen meist junger Sportler folgte. Der „Spiegel“ wies 1991 auch auf vier Todesfälle von deutschen Kaderathleten hin. Ab 1993 lassen sich dann Leistungsdaten bei der Tour de France jenseits der Grenze von 410 Watt nachweisen, die als Indikator für massives Epo-Doping gelten. Ein erster Epo-Test wurde erst im Jahr 2000 eingeführt. Die lange Entwicklungszeit des Testverfahrens signalisiert, dass eine Zusammenarbeit von Pharmafirmen mit Antidopingbehörden, um den Missbrauch von Medikamenten zur Leistungssteigerung zu erschweren, damals eher nicht im Schwang war. Erst bei der Einführung von Aranesp im September 2001 und Cera im November 2007 verkürzten sich die Entwicklungszeiten von Tests signifikant. Schon im Februar 2002 wurde der Skilangläufer Johann Mühlegg mit Aranesp erwischt, im Mai 2008 wurde erstmals Cera bei Teilnehmern des Giro d’Italia bei Kontrollen nachgewiesen.

Dass dopingrelevante Medikamente aber oft noch vor der eigentlichen Zulassung den Weg zu Dopern finden, ist laut David Howman ein häufiger zu beobachtendes Phänomen. „Wir haben in der Vergangenheit mehrfach Hinweise erhalten, dass solche Medikamente schon aus dem Testprozess auf den Dopingschwarzmarkt gekommen sind“, sagte der Generalsekretär der Welt-Antidoping-Agentur (Wada). Howman beklagte auch den mangelnden Aufklärungserfolg der Pharmafirmen hinsichtlich dieses Schwunds an Testsubstanzen.

Das aggressive Marketing von Amgen in Sachen Epogen und Aranesp legt nahe, dass Nebeneinnahmen durch dopende Sportler – und zunehmend auch Amateursportler, wie Polizeirazzien ergeben – als Mitnahmeeffekt gern gesehen werden könnten. Dies wies ein Amgen-Sprecher auf Nachfrage des Tagesspiegels zwar zurück. Aber die Drückerkolonnen, die im Pharma-Bereich ihr Unwesen treiben, erhärten eher noch den Verdacht.

Im Verfahren gegen Amgen wurde deutlich, wie die Pharmavertreter Ärzte und Apotheker mit Prämienzahlungen und Bonuspackungen zu überhöhten Dosierungen von Epo-Präparaten animierten. Sie setzten sich dabei über Studien der Harvard-Universität und des US- Kriegsveteranenministeriums hinweg, die ein erhöhtes Todesrisiko für Patienten mit hohen Epodosen ergeben hatten. Amgen- Vertreter halfen Ärzten sogar, Wege zu finden, wie sie Bonuspackungen bei der staatlichen Krankenversicherung Medicare abrechnen und damit einen Extragewinn einstreichen konnten. Staatsanwalt Roger Burlingame stellte fest, dass „in einigen Fällen Angestellte von Amgen so massiv indoktriniert waren, dass sie nicht einmal wussten, dass das Medikament für die Anwendung, die sie vorschlugen, noch gar nicht zugelassen war“. Eventuell führt die Millionenstrafe gegen Amgen zu mehr Transparenz in den Vertriebswegen dopingrelevanter Medikamente. Kennt man die Wege, kann man Doping selbst besser eindämmen. Tom Mustroph

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