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Doping im Fußball: Die Zweifel der Vergangenheit

Fußball hat sich lange als sauberer Sport inszeniert, Doping wurde ignoriert oder kleingeredet. Das soll sich jetzt ändern, die Fifa will jeden Verdacht ausräumen. Das wird alles andere als leicht.

In dem einen Säckchen befinden sich Kärtchen mit roten Rückennummern, in dem anderen Sack Kärtchen mit schwarzen Nummern. Alles läuft unter Augenzeugen ab, aber trotzdem geheim. Der Dopingbeauftragte zieht in der Halbzeitpause jeweils zwei rote und zwei schwarze Nummern, sie landen diskret in einem großen Briefumschlag, der anschließend verschlossen wird. Jeder der vier anwesenden Herren bestätigt auf dem Umschlag ein sachgemäßes Auswahlverfahren. In der 75. Spielminute treffen sich der Kontrolleur, sein Assistent sowie die Dopingbeauftragten der beiden Mannschaften am Spielfeldrand wieder. Auf Höhe der Mittellinie wird der Umschlag geöffnet. Jetzt steht namentlich fest, welche vier Bundesligaspieler zur Dopingprobe müssen. Zwei „Chaperon“ genannte Aufpasser lassen die betreffenden Profis ab jetzt nicht mehr aus den Augen und geleiten sie nach Abpfiff auf direktem Weg in den Dopingkontrollraum.

So zügig und professionell laufen Dopingkontrollen im deutschen Profifußball ab. Insgesamt aber hat sich der Fußball im Kampf gegen unerlaubte leistungssteigernde Mittel in der Vergangenheit nicht hervorgetan. Zuletzt provozierten Enthüllungen in Spanien Aufsehen. Im Prozess gegen Dopingarzt Eufemiano Fuentes wurde bekannt, dass Erstligist Real Sociedad San Sebastian von 2001 bis 2005 Fuentes mehr als 350 000 Euro für Doping-Behandlungen überwiesen hatte. Längst gilt: Wo der Ball auch rollt, der Verdacht kickt mit. Das soll sich nun ändern.

Unter dem Druck der Welt-Anti-Doping-Behörde Wada will die Fifa in diesem Sommer beim Confed-Cup einen Blutpass einführen. Nach Jahrzehnten, in denen viele Funktionäre die Augen vor Doping verschlossen haben, sollen kontinuierliche Tests Einzug halten und Blutprofile der Spitzenspieler angelegt werden. Fifa-Präsident Joseph Blatter kündigte an, „weiter gegen diese ernsthafte Bedrohung zu kämpfen“ und 2014 im WM-Jahr 2,5 Millionen Dollar in den Kampf gegen Doping zu investieren. Der Fußball will den Beweis antreten, dass er ein sauberer Sport ist.

Das wird nicht leicht. Schon die deutschen Helden von Bern müssen mit dem Vorwurf leben, sie hätten ihrem wundersamen Sieg im WM-Finale 1954 über Ungarn mit wundersamen Mittelchen nachgeholfen. Albert Sing, damals Quartiermacher der Deutschen, hatte in einem unbedachten Augenblick von Vitaminspritzen erzählt. Das war ziemlich nahe dran am Vorwurf von Ungarns Kapitän Ferenc Puskas, der 1957 in einem Interview einen ersten Verdacht erhoben hatte.

Da war auch diese seltsame Gelbsucht-Epidemie, die so vielen Berner Helden zu schaffen machte und in deren Folge der Frankfurter Nationalspieler Richard Herrmann an einer Leberzirrhose starb, mit gerade 39 Jahren. Neuere Untersuchungen legen die Vermutung nahe, den Deutschen seien damals Amphetamine verabreicht worden. „Alles andere macht wenig Sinn“, sagt der Publizist Erik Eggers. „Vitamin C konnte man damals auch schon oral verabreichen, dazu brauchte man keine Spritzen.“

Maradona und andere positiv getestete Fußballer

Blutproben gibt es in der Bundesliga noch nicht.
Blutproben gibt es in der Bundesliga noch nicht.

© Foto: Fotolia. Montage: Tsp

Beim Argentinier Diego Maradona war die Indizienlast erdrückend, als er 1994 nach dem WM-Spiel gegen Nigeria zur Dopingprobe musste. Maradona, damals schon 33 Jahre alt und für die WM in den USA aus dem Ruhestand geholt, war wie aufgedreht über den Platz gerannt, im ersten Spiel gegen Griechenland hatte er sogar ein Tor geschossen und daraufhin wie ein Verrückter in eine Kamera gebrüllt. In seinem Urin fanden sich allerlei verbotene Substanzen, unter anderem Ephedrin. Maradona wurde gesperrt, stritt zunächst alles ab und bezeichnete sich als Opfer einer Kampagne der Fifa. Sehr viel später erzählte er, die komplette Nationalmannschaft sei schon im Qualifikationsspiel gegen Australien gedopt gewesen – „sie haben uns etwas in den Kaffee gemischt, damit wir mehr rennen“.

Auch der Klubfußball hat seine Dopingvergangenheit. Bei Juventus Turin erhielt Mannschaftsarzt Riccardo Agricola 2004 wegen der Verabreichung von Epo eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, in zweiter Instanz wurde Agricola freigesprochen. Wie übrigens auch ein Fußballheiliger der Gegenwart. Josep Guardiola kickte im Spätherbst seiner aktiven Karriere für Brescia Calcio und wurde Ende 2001 zweimal positiv auf Nandrolon getestet. Das Verfahren zog sich ein paar Jahre hin und fand mit Guardiolas Verurteilung zu vier Monaten Haft und 9000 Euro Geldstrafe nur ein vorläufiges Ende. Der künftige Bayern-Trainer beteuerte seine Unschuld, er trat den Gang durch die Instanzen an und wurde 2009 freigesprochen.

Früher argumentierten Trainer wie Otto Rehhagel gerne, Doping würde im Fußball ohnehin nichts bringen: „Wer mit links nicht schießen kann, trifft den Ball auch nicht, wenn er 100 Tabletten schluckt.“ Dass Dopingmittel im Kraft- und Ausdauersport Fußball sehr wohl große Vorteile bringen können, ist aber längst unumstritten.

Auch deswegen hat der DFB der Anti-Dopingkampf in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich ausgeweitet. In der Saison 1988 wurde in der Bundesliga, Zweiten Liga, Dritten Liga, Regionalliga, Frauen-Bundesliga und bei den Junioren insgesamt nur 128 Mal kontrolliert, in der vergangenen Saison 2011/2012 schon 1644 Mal. Rund 700 000 Euro im Jahr gibt der DFB für sein Anti-Dopingprogramm aus. In Erster und Zweiter Liga wird derzeit bei mindestens drei Partien pro Spieltag eine Dopingkontrolle durchgeführt. Im Training überprüft die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada die deutschen Vereine und die Nationalmannschaft, vor großen Turnieren schicken auch Fifa und Uefa Kontrolleure in die Trainingslager. Die Fifa führt jährlich etwa 20 000 Kontrollen weltweit durch. 2008 wurden erstmals bei einer Europameisterschaft neben Urin- auch Bluttests durchgeführt.

Warum gibt es in der Bundesliga keine Blutkontrollen?

Wie aber sieht es mit der Effektivität der Tests aus? In der Bundesliga etwa gibt es bislang keine Blutkontrollen, sondern ausschließlich Urintests. „Unser Ziel muss es sein, das Wettkampfkontrollsystem ständig zu verbessern“, sagt Rainer Koch, der als Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes der Anti-Doping-Kommission des Verbands vorsteht. Auch der DFB will sich Blutpässen nicht verweigern. „Es gibt von uns kein grundsätzliches Nein zum Thema Bluttests im Fußball, das wäre ja auch widersinnig“, sagt Koch.

Allerdings müsse geklärt werden, wie die Kontrollen finanziell und organisatorisch praktikabel gemacht werden können. Und: „Es muss im Anliegen der Sache – das heißt im Kampf gegen Doping – auch Sinn machen“, sagt Koch. Dass es bisher im deutschen Fußball noch keine Bluttests gebe, sei keine Hinhaltetaktik des DFB. Vielmehr forciere der Verband eine einheitliche und mit den anderen großen Ballsport-Fachverbänden (Handball, Basketball und Eishockey) abgestimmte Vorgehensweise der Nada. „Bluttests sind für uns vorstellbar, jetzt liegt der Ball bei der Nada“, sagt Koch. „Ich wünsche mir, dass die Nada auf die anderen Ballsportverbände weiter zugeht und wir gemeinsam eine einheitliche Linie finden.“

Noch führt die Nada nicht alle Wettkampfkontrollen durch, will das aber langfristig von den Verbänden übernehmen. „Und wir würden gerne in manchen Sportarten die Zahl der Trainingskontrollen in den Ligen erhöhen, immer entsprechend der Zahl der Spieler“, sagt Nada-Vorstandsmitglied Lars Mortsiefer. „Und wir wollen auch in den Ballsportarten Bluttests durchführen.“ Die Voraussetzungen dazu seien im Grunde gegeben: „Verbände und Nada müssen nun den Beginn festlegen. Wir hoffen, dass wir in Kürze starten können.“ Die guten Absichten sind also vorhanden. Jetzt muss mit der Umsetzung begonnen werden, damit der Fußball in eine Zukunft mit weniger Zweifeln gehen kann.

Die Zweifel der Vergangenheit hingegen wird der Fußball wohl nicht mehr ausräumen. Eufemiano Fuentes hat längst zugegeben, dass unter seinen Kunden neben Radfahrern auch Fußballer waren – nur Namen nannte er nicht. In San Sebastian soll der damalige Vereinspräsident José Luis Astiazarán das Dopingprogramm abgesegnet haben. Astiazarán ist mittlerweile Chef der spanischen Profiliga. Immerhin soll er im April nicht mehr zur Wiederwahl antreten, um keine weiteren Fragen zu provozieren. Zumal es genug alte Fragen gibt. Schließlich beschlagnahmte die Polizei bei Fuentes knapp 200 Blutbeutel. Die Hälfte der Besitzer ist immer noch unbekannt.

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