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Sport: Doping: Verrannt

Karin Balzer hatte überhaupt keine Zeit. Das ließ sie ausrichten, als Uwe Hakus, der Bundestrainer der deutschen Sprinter, im Hause Balzer anrief.

Karin Balzer hatte überhaupt keine Zeit. Das ließ sie ausrichten, als Uwe Hakus, der Bundestrainer der deutschen Sprinter, im Hause Balzer anrief. "Ich muss derzeit zu viel telefonieren", lautete Karin Balzers Begründung. Und damit war das Gespräch erst mal beendet. Schon klar, dass die frühere Hürdensprint-Olympiasiegerin Balzer gestern im Stress war. Denn ihr Sohn Falk, Dritter der Hallen-WM 1999 über 60 m Hürden, ist der aktuellste Dopingfall der deutschen Leichtathletik.

Gestern Nachmittag bestätigte die Anti-Doping-Kommission (ADK) des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV), was gestern Vormittag schon als Gerücht kursierte: Falk Balzer wurde positiv getestet. Die Anti-Doping-Kommission suspendierte ihn gegen 15 Uhr. Der 27-Jährige vom TuS Jena hatte zu viel Nandrolon im Urin, als er am 19. Januar getestet wurde. 2,0 Nanogramm pro Milliliter sind erlaubt, 10,2 filterten die Fahnder heraus. Eine anabole Wirkung hat diese Menge allerdings nicht. Dafür hat der Fall eine Wirkung auf die Außendarstellung der deutschen Leichtathletik. Balzer Fall platzt genau in die aktuelle Diskussion über den gedopten Dieter Baumann. Baumann will bei den Deutschen Hallenmeisterschaften am Wochenende in Dortmund starten, Balzer darf nicht, "dies alles wird das sportliche Programm in Dortmund in den Hintergrund rücken", sagt Hakus. Bingo.

Balzer war gestern zwar abgetaucht, nicht mal Hakus erreichte ihn, aber seine Verteidigungsstrategie dürfte klar sein: verseuchte Nahrungsergänzungsmittel. Eine gängige Erklärung bei der Flut der Nandrolonfälle in den letzten Jahren. Für diese Strategie gibt es einen deutlichen Hinweis. Balzer hatte sich am Mittwoch gegenüber einem Mitglied der Anti-Doping-Kommission erklärt. Und die Kommission suspendierte ihn nicht sofort, wie es bei wenig befriedigenden Aussagen eines Ertappten üblich ist, sondern verschob die Entscheidung auf gestern. "Wir müssen noch eine biochemische Untersuchung abwarten", erklärte Theo Rous, der Vorsitzende der Anti-Doping-Kommission, gestern vormittag. Zudem "gibt es Parallelen zum Fall Soboll", sagte Rous. Die Wattenscheider Speerwerferin Carolin Soboll wurde im vergangenen Sommer mit einem überhöhten Nandrolonwert getestet, konnte dann aber vor der Anti-Doping-Kommission beweisen, dass das erlaubte Kreatin, das sie genommen hatte, vom belgischen Hersteller mit Nandrolon verseucht war. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hat Soboll dennoch suspendiert.

Balzer sagte vergangene Woche seine geplanten Starts bei den Hallenmeetings in Halle (Freitag) und in Birmingham (Sonntag) ab. "Ich bin krank", teilte er mit. Gestern Vormittag erfuhr Hakus, dass Balzer auch auf einen Start bei den Deutschen Hallenmeisterschaften verzichtet. Allerdings empfand Hakus die Absagen für Halle und Birmingham nicht weiter als aufregend. "Es gibt eine Grippewelle, warum sollte er also nicht krank sein."

Gestern allerdings war Hakus fassungslos. "In den vergangenen Jahren lief er ausgezeichnete Zeiten, obwohl er oft kontrolliert wurde. Dieser Vorfall ist natürlich sehr schade, andererseits beweist dieser Vorgang auch, wie gut das Kontrollsystem in Deutschland funktioniert, und dieser Umstand ist auf jeden Fall zu begrüßen." Noch beim Meeting in Chemnitz Anfang Februar hatte er sich lange mit Balzer unterhalten, "dort war er total locker". Wenn er so auch im vergangenen Jahr bei den Deutschen Meisterschaften gewesen wäre, hätte er sich viel Ärger erspart. Aber da war Balzer über 110 m Hürden nur Dritter geworden und hatte seinen Konkurrenten Claude Edorh beschimpft und attackiert. Das hätte ihn fast die Olympia-Teilnahme gekostet.

In dieser Hallensaison lief er schon dreimal 7,54 Sekunden über 60 m Hürden, eine Weltklassezeit. Damit steht er im Moment auf dem dritten Platz der Weltrangliste. Im März, bei der Hallen-WM, wäre er damit ein Medaillenkandidat gewesen." Jetzt, Ende Februar, ist er nur noch ein Problemfall.

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